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KulTOUR: Vernunft fürs Volk!

Auftakt des Literaturfestivals in Reckahn. Unterrichtsstunde im Schulmuseum.

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Typisch Luther! Wie eh und je, so ist er auch diesmal ein Vorbote späterer Ereignisse. Zwar mehr reformatorisch als literarisch, aber immerhin. Die Rede ist vom hochkarätigst angelegten 5. „Literaturfestival Potsdam Brandenburg“, das in der Woche vom 5. bis zum 9. Juli mit Lesungen und anderen Festen an vielen Standorten der Landeshauptstadt ausgeführt wird. Veranstalter von „lit: potsdam“ ist der gleichnamige Verein mit Richard Gaul und Marianne Ludes an der Spitze. Er wurde vor fünf Jahren gegründet. Unter dem Titel „Starke Worte. Schöne Orte“ will man auch in diesem Jahr ein Riesenangebot an guten Büchern und bekannten Namen präsentieren – aus Liebe zur Literatur, zu Potsdam und dem Land Brandenburg. Zum Potsdamer Aufgebot gehören unter anderem John von Düffel, Christoph Hein, Hans Zischler und Donna Leon mit ihrem Neuesten aus Venedig – sie wird von der Schauspielerin Annett Renneberg begleitet.

Am Wochenende zuvor aber läutet Martinus Luther das große Literaturfestival im brandenburgischen Reckahn mit dem Slogan „Reformation und Leselust“ ein. Für alle Offiziellen ist das Dorf ja ein „kultureller Gedächtnisort mit nationaler Bedeutung“! Hier setzte in den 70er-Jahren des 18. Jahrhunderts Friedrich Eberhard von Rochow sein pädagogisch-aufklärerisches Reformprogramm („Vernunft für das Volk“) in Gang. Im Reckahner Schulmuseum können Besucher noch heute eine Unterrichtsstunde von damals nacherleben. Dies schon wird Teil der festivalen „Landpartie“ am 1. und 2. Juli sein. Lesungen, Diskussionen, Vorträge, Musik und jede Menge Prominenz auch hier. Luther im Zentrum, klar, den feiern heuer alle. Seiner haben sich am Sonnabend zwei renommierte Autoren angenommen, keine Offiziellen. Als Introdukt wird der Schriftsteller Bruno Preisendörfer um 15 Uhr im Schlosspark über die „Erfindung“ der deutschen Sprache berichten. Danach disputiert er mit seinem Kollegen Moritz über die Macht der Worte, und über das Lesen und Schreiben 500 Jahre nach Luther. Rinke selbst ist mit einem theatralischen Text über den Bruch des Augustinermönches mit dem päpstlichen Zölibat dabei.

Sonntag dann wird es etwas politischer. Nachdem Heiner Geissler, Politiker und Katholik jesuitischer Prägung, sich mit seinem Buch „Was müsste Luther heute sagen“ über den Reformationsbedarf der heutigen Kirchen ausgelassen hat, gibt es ein Streitgespräch, an welchem, neben ihm Brandenburgs Kultusministerin Martina Münch (zugleich die Schirmfrau der Veranstaltung), der Theologe Thies Gundlach sowie der deutsch-türkische Schriftsteller Feridun Zaimoglu teilnehmen. Ob sie sich wohl über das brandheiße Thema „Luthers Prägekraft für unsere kulturelle Identität“ einigen können?

Am Nachmittag folgen im Schlosspark weitere Veranstaltungen. Feridun Zaimoglu liest aus seinem Luther-Roman „Evangelio“, John von Düffel und Willi Winkler versuchen sich am Passus „Mythos Luther“, und zu wirklich guter Letzt gibt der Schauspieler und Sprecher Dominique Horwitz des Reformators Tischreden zum Besten. Dies bei freiem Eintritt. Sonst kostet ein Tagesticket 25 Euro, der „Lutherpass“ für das Gesamtereignis 40, Familien-Picknick, Kinderbetreuung und Live-Musik inklusive. 

Gerold Paul

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