Potsdam-Mittelmark: Vertrauen auf den Wunderbaum
Ökologische Alternative: Die Stadt Teltow will mit Bio-Gift gegen Eichenprozessionsspinner angehen
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Teltow - Das Öl des in Indien beheimateten Niembaums soll den gefährlichen Raupen des Eichenprozessionsspinners in und um Teltow den Garaus machen. Rund 450 im vergangenen Jahr von den Tieren befallene Eichenbäume in der Stadt sollen mit dem Bio-Gift behandelt werden. Darunter auch zahlreiche Bäume, die sich in der Nähe von Schulen und Kindergärten befinden. Das kündigte Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) am Mittwochabend in der Stadtverordnetenversammlung an.
Der verwendete Wirkstoff „Neem-Protect“ ist im ökologischen Landbau zugelassen. Sein Einsatz wurde unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern und Bayern getestet. Im Kleinversuch habe man damit sehr gute Erfolge erzielen können, im großflächigen Einsatz an Alleen blieb er jedoch zum Teil wirkungslos. Eingesetzt wird er aber unter anderem schon in Oberfranken.
Die Raupen nehmen den Wirkstoff über die Eichenblätter auf, die auf ihrer Speisekarte stehen. So sollen die Tiere schon bald ihren Hunger auf das junge Grün der Eichen verlieren, das Gift behindert außerdem den Häutungsmechanismus der Larven. „Sie nehmen keine Nahrung mehr auf, entwickeln sich nicht mehr weiter und sterben nach circa sieben Tagen ab“, erklärte Bürgermeister Schmidt. Dadurch bleiben die meisten anderen Tiere verschont. Man wolle nicht zur chemischen Keule greifen, sagte Schmidt.
Mit dem Einsatz des Niembaum-Öls verzichtet die Stadt auf den alternativen Einsatz des Biozids Dipel ES. Denn noch immer ist unklar, ob das biologische Insektizid in der Nähe von Wohnsiedlungen großflächig eingesetzt werden darf. Auch ein Einsatz von Dipel ES aus der Luft, zur Bekämpfung der Raupen an Alleen, ist noch nicht genehmigt – eine entsprechende Zulassung beim Bundesamt für Arbeitsschutz hat Brandenburgs Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) allerdings bereits beantragt.
Seit Jahren befindet sich der Eichenprozessionsspinner in der Region auf dem Vormarsch. Begünstigt durch Trockenheit und Wärme im Frühjahr verbreiten sich die Falter. An immer mehr Eichen hinterlassen sie ihre Larven. Im Frühjahr beginnen sie zu schlüpfen. Gefährlich sind sie nicht nur für die Bäume: Die Haare der Raupen können bei Menschen allergische Reaktionen auslösen bis hin zum lebensgefährlichen Schock.
Ende April soll eine Fachfirma das Bio-Gift auf die schon im vergangenen Jahr befallenen Teltower Eichen auftragen. Unter anderem sollen die Raupen so von den Bäumen im Musikerviertel vertrieben werden, aber auch von den Eichen in einigen Ruhlsdorfer Siedlungsstraßen, der dortigen Grundschule sowie am Friedhof. Bekämpft werden die Larven auch an den Kitas im Anne-Frank-Weg. Lassen sich die Eichenprozessionsspinner im laufenden Jahr auf neue Bäume nieder, sollen deren Gehege abgesaugt werden. „Diese Behandlungsmethode ist die sicherste und erfolgreichste, da sie nahezu alle Schädlinge erfasst“, so Schmidt. Die dafür notwendigen Mittel seien im Haushalt eingeplant.
Der Niem ist ein wahrer Wunderbaum. Obwohl er seit Jahrzehnten untersucht wird, sind viele seiner Wirkstoffe noch nicht vollständig erforscht. Ursprünglich stammt der auf tropisches Klima angewiesene Baum aus Indien, Pakistan und Burma, ist heutzutage aber auch in Afrika und Amerika verbreitet. Er kann bis zu 200 Jahre alt werden. Von indischen Ärzten werden Niem-Produkte unter anderem gegen Bluthochdruck, Geschwüre, Schilddrüsenerkrankungen, Verdauungsstörungen oder zur Abtreibung eingesetzt. In der Landwirtschaft werden Samen und Öl hingegen als Dünger oder Insektizid genutzt. Seit 1985 wurden weltweit mehr als 90 Patente auf Wirkeigenschaften und Extraktionsverfahren von Niemprodukten angemeldet. In den vergangenen Jahren stiegen die Preise des Niemsamens von 11 auf über 100 US-Dollar je Tonne. Der Niembaum wird auch genutzt, um Wüstengebiete wieder zu rekultivieren.
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