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Potsdam-Mittelmark: Viel Hilfe für Flüchtlinge in Ferch
Das Hilfsnetzwerk und die Ausländerbehörde arbeiten erfolgreich zusammen. Der Ausbau des Heims geht voran
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Schwielowsee - Ein kleiner Junge aus Afghanistan, vielleicht fünf Jahre alt, fährt mit seinem kleinen Rad zum umzäunten Fahrradkäfig. Die Pressemeute scheint ihn ein wenig abzuschrecken. So viele Menschen. Dabei will er nur sein kleines Rad parken. Es dauert nur kurze Zeit und er schiebt sein Rad, an den Journalisten und der Fernsehkamera vorbei.
Am gestrigen Freitag hat der Leiter der Zentralen Ausländerbehörde in Brandenburg zu einem Rundgang in der Erstaufnahmeeinrichtung in Ferch eingeladen. Gekommen sind neben Mitgliedern des Netzwerks für Hilfe auch der Technische Geschäftsführer des Landesbetriebs für Liegenschaften (BLB) und der Sozialbetreuer im Heim.
Den engsten Kontakt mit den Flüchtlingen in Ferch hat wohl Khalil Mabrouki. Der gebürtige Marokkaner und Sozialbetreuer achtet, mit deutschen Tugenden ausgestattet, auf Sauberkeit und Ordnung. „In keinem anderen Heim ist es so sauber wie bei uns“, sagt er stolz. Mabrouki ist Ansprechpartner Nummer eins. Wenn beispielsweise jemand krank ist, fährt er den Patienten sofort zum Arzt nach Glindow. Außer donnerstags, da sei ein Arzt vor Ort.
Der Sozialbetreuer steht in einer ehemaligen Kantine, die 20 Jahre nicht mehr genutzt wurde. Derzeit ist sie ein Lager und beherbergt Hunderte in Folie verpackte Stühle und Kartons mit Inventar für die kommenden Flüchtlinge. Ein paar Meter weiter platzt ein kleiner Raum fast aus allen Nähten, vollgestopft mit Kleiderspenden, die für eine ganze Kompanie reichen würden. „Wir sind froh, dass uns so viel Hilfe zuteilgeworden ist“, sagt Pfarrer Frank-Michael Theuer vom Hilfsnetzwerk. Vor wenigen Monaten ist das Netzwerk in der evangelischen Kirchengemeinde in Caputh entstanden. Mittlerweile engagieren sich mehr als 40 aktive Mitglieder. Kleiderspenden würden nicht mehr gebraucht, betont Theuer froh.
Stolz sind die Helfer auf ihre Mobilitätsgruppe. Zahlreiche Fahrräder wurden gespendet, vom kleinen Kinderroller bis zum Damenrad ist alles dabei. „Der Zustand lässt natürlich bei manchen Rädern zu wünschen übrig“, sagt Theuer. Daher können Einheimische gemeinsam mit den Flüchtlingen bald an den Rädern schrauben. Ein Raum dafür steht seit Freitag zur Verfügung. „Jetzt fehlen noch Werkzeuge“, so Theuer.
Die Räder sind beliebt bei den Flüchtlingen, nicht nur bei dem kleinen Afghanen. Immerhin ermöglichen sie einen gewissen Grad an Mobilität. Denn der Standort der Erstaufnahmeeinrichtung, eine ehemalige Gemeinschaftsunterkunft der Bundeswehr in einem Gewerbegebiet, ist weit ab vom Schuss. Eine bessere Anbindung mit dem Nahverkehr sei noch in der Mache, so Jörg Longmuß vom Hilfsnetzwerk. Geplant seien eine Verlängerung der Buslinie 633 um zwei Stationen und vergünstigte Fahrkarten.
Der Leiter der Ausländerbehörde, Frank Nürnberger, lobt das Engagement der Helfer. „Die Arbeiten des Netzwerks sind beispielhaft.“ Noch bevor es Deutschunterricht durch zwei staatliche Lehrer gab, habe das Netzwerk Unterricht angeboten, so Nürnberger. Den nutzen neben den Kindern auch viele Erwachsene, so Sozialbetreuer Mabrouki. Manche Flüchtlinge könnten weder lesen noch schreiben und es sei für die Menschen erhebend, wenn sie zum ersten Mal in ihrem Leben den eigenen Namen schreiben, so Pfarrer Theuer.
Galhan Rasho kann lesen und schreiben. Die junge Frau hat in Syrien studiert und lebt seit mittlerweile vier Wochen in Ferch. Sie ist eine von 28 Bewohnerinnen im Haus für Frauen und Mütter mit Kindern. Derzeit leben im Fercher Flüchtlingsheim 45 Menschen, darunter viele Kinder, die auf dem Gelände herumtollen. Einen Spielplatz gibt es noch nicht, dafür einen Sandkasten, der schon in Beschlag genommen wurde. Laut Frank Nürnberger soll der Spielplatz noch dieses Jahr kommen. Es müsse noch geprüft werden, wie viel Geld die Behörde zur Verfügung stellen kann.
Die Kosten für den jährlichen Gesamtbetrieb der Erstaufnahmeeinrichtung kann Norbert John vom BLB nur schätzen. Er gehe von 700 000 Euro aus, ohne Betriebskosten. Der Ausbau der restlichen Häuser sei in vollem Gange. Frank Nürnberger rechne damit, dass bis zum Sommer eine Belegung mit maximal 280 Personen möglich ist. Die Kleinkläranlage, die für maximal 50 Personen ausgelegt ist, werde derzeit erweitert, zwei Überlaufbecken sollen die Kapazitäten erhöhen. Die Genehmigung ist laut John bereits erteilt. Bis zum 31. Dezember 2016 ist die Nutzung des Geländes in Ferch als Erstaufnahmeeinrichtung begrenzt. „Wenn sich der politische Wille ändert, kann sich das natürlich noch verlängern“, sagt John.
Die Flüchtlinge haben ohnehin nicht so viel Zeit, sich in Ferch einzugewöhnen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt bei drei Wochen. „Viele wollen gar nicht mehr weg“, sagt Sozialbetreuer Mabrouki. Auch vielen Mitgliedern im Hilfsnetzwerk falle der Abschied manchmal schwer, so Pfarrer Theuer.
Björn Stelley
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