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Potsdam-Mittelmark: Vielfältige Berührungspunkte

Ausstellung zeigt Verhältnis zwischen Oranienburg und dem KZ Sachsenhausen

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Ausstellung zeigt Verhältnis zwischen Oranienburg und dem KZ Sachsenhausen Oranienburg – In einer Dauerausstellung thematisieren die Gedenkstätte und das Museum Sachsenhausen ab 23. Oktober erstmals das vielfältige Wechselverhältnis zwischen der Stadt Oranienburg und dem 1936 gebauten Konzentrationslager. Die Schau „Die Stadt und das Lager. Oranienburg und das KZ Sachsenhausen“ leiste einen Beitrag zu den Fragen, „welches Wissen die Anwohner über das Konzentrationslager hatten, und wie präsent Häftlinge in der Stadt waren“, beschreibt Ausstellungsmacherin Andrea Riedle das Konzept. Dokumentiert würden alltägliche Verhaltens- und Handlungsweisen der Oranienburger: Von Hilfe für die Häftlinge bis hin zu Verstrickungen Einzelner in SS-Verbrechen. Die Ausstellungsbesucher erhielten die Gelegenheit, sich differenziert mit dem Thema auseinander zu setzen und somit Abstand zu gewinnen von gängigen Pauschalurteilen, fügt der Sprecher der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Horst Seferens, hinzu. Die am weitesten auseinander liegenden Klischees sind Seferens zufolge, dass die Bevölkerung von den Gräueltaten der SS im KZ nichts gewusst hat beziehungsweise alles hätte wissen müssen. Die Forschungsarbeiten für die Ausstellung erbrachten laut Riedle, dass - obwohl die SS das Lager abschirmte - die Bevölkerung Oranienburgs „über einige Vorgänge im KZ relativ gut Bescheid wusste, jedoch keine genauen Vorstellungen beispielsweise über die Anzahl der inhaftierten Häftlinge oder die Ausmaße der Vernichtungsaktionen hatte“. Einblicke ins Lagerleben bekamen etwa Handwerker und Kaufleute, die der evangelischen Gemeinde in Sachsenhausen mit Pfarrer Kurt Scharf - von 1966 bis 1976 Bischof von Berlin-Brandenburg - über Folter oder Selbstmorde berichteten. Auch außerhalb des KZ beobachteten Oranienburger schwere Häftlings-Misshandlungen. Vereinzelt kam es sogar vor, dass Gefangene vor den Augen der Bevölkerung ermordet wurden. Das 1940 eingerichtete Krematorium im KZ blieb wegen der Rauch- und Geruchsentwicklung nicht verborgen. Auf diesbezügliche Erlebnisse und Berichte reagierten die Einwohner mit Hilfsmaßnahmen oder mit Wegschauen. Mittäter gab es ebenfalls. Aktiver Widerstand gegen die KZ-Vorgänge sei, wie in Dachau und Weimar, jedoch ausgeblieben, betont Riedle. Den Gefangenen wurden auf ihrem Marsch durch die Stadt Lebensmittel zugesteckt, die Bekenntnisgemeinde hielt Fürbitte-Andachten und läutete die Glocken. Während manche Oranienburger mit der SS lieber nichts zu tun haben wollten, pflegten nationalsozialistisch eingestellte Bürger mit SS-Angehörigen freundschaftliche Kontakte. Die heutige Bevölkerung Oranienburgs sei in den Grundzügen über die Berührungspunkte von KZ und Stadt informiert, sagt Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD). Die Verstrickungen von Mitarbeitern der Stadtverwaltung, von Geschäftsleuten und Rüstungsbetrieben seien zumindest grob bekannt. Die Ausstellung fördere jedoch „in Details“ viel Neues zutage. Sie behandele ein „ganz wichtiges Kapital in der Stadtgeschichte“ und hätte eigentlich früher gezeigt werden müssen. Günter Brüggemann

Günter Brüggemann

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