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Plädierte für drei Jahre Haft: Rechtsanwalt Matthias Schöneburg (l.) mit seinem Mandanten Frank E.

© Bernd Settnik/ dpa

Potsdam-Mittelmark: Viereinhalb Jahre Haft für Reitlehrer

E. setzte das Machtgefälle zwischen sich und den Opfern bewusst ein Landgericht verurteilte Besitzer des Reckahner Kutschfahrthofes wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern

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Potsdam / Kloster Lehnin - Der überraschend hohen Forderung der Staatsanwaltschaft wollte das Potsdamer Landgericht nicht nachkommen: Es verurteilte den wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen angeklagten Frank E. am Donnerstag zu viereinhalb Jahren Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre gefordert, E.’s Verteidiger, der Potsdamer Rechtsanwalt Matthias Schöneburg, drei Jahre. Er kündigte am Abend an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

Der Vorsitzende Richter Frank Tiemann sah es als erwiesen an, dass sich der Besitzer eines Reit- und Kutschfahrthofes in Reckahn über zwölf Jahre lang an Jungen im Alter zwischen zwölf und vierzehn Jahre vergangen hat. Aufgeflogen waren die Fälle durch die Anzeige eines Vaters im vergangenen Juni (PNN berichteten). Gleich zu Beginn der Verhandlungen hatte E. über seinen Anwalt ein Geständnis abgelegt – das allerdings vom Gericht nur als Teilgeständnis und damit nicht als entlastend anerkannt wurde: Vier der insgesamt fünf Opfer mussten selbst vor Gericht aussagen, da E. zu viele Fragen offen ließ.

So waren zwei Fälle strittig, in denen es zum Oralverkehr kam. Zumindest in einem Fall wurde das als schwerer sexueller Missbrauch gewertet – im anderen Fall war das Opfer bereits über 14 Jahre alt und gilt damit als Jugendlicher. Auch in diesem Fall sind sexuelle Handlungen durch einen Erwachsenen strafbar – jedoch nur, wenn dieser dabei die Unerfahrenheit des Jugendlichen ausnutzt. Genau das aber war das Ziel des 56-Jährigen. Während der Verhandlung hatte er mehrfach erklärt, er habe den Jungen lediglich bei ihrer sexuellen Entwicklung helfen wollen. Das nahm ihm Richter Tiemann so allerdings nicht ab, E. habe seine eigenen Bedürfnisse befriedigt, um die er bereits seit Jahren wusste. Er empfahl dem Verurteilten dringend, sich mit den Ursachen seiner Neigung auseinanderzusetzen. „Wir sehen sie im Moment als wiederholungsgefährdet an“, so Tiemann. Die Untersuchungshaft werde deshalb fortgesetzt, bis das Urteil rechtskräftig sei.

Zwei besonders schwere Anschuldigungen konnten nicht aufrecht erhalten werden: So erwies es sich als falsch, dass eines der Opfer zum Tatzeitpunkt erst neun Jahre alt war. Die Staatsanwaltschaft war zudem in einem der Fälle von sexueller Nötigung ausgegangen, der Zeuge hatte jedoch eingeräumt, dass er sich selbst aus der Umarmung befreien konnte. Somit konnte nicht nachgewiesen werden, dass E. Gewalt angewendet hatte.

Das Machtgefälle zwischen sich und den Opfern hat E. nach Ansicht der Staatsanwaltschaft dennoch bewusst eingesetzt. Er baute ein enges Vertrauensverhältnis zu den Jungen und in zwei Fällen auch zu deren Familien auf. E. habe sein ganzes Leben gezielt auf den Missbrauch ausgerichtet. „Er stellte sich als netter Onkel dar, dem man alles erzählen kann“, so die Staatsanwaltschaft. Auf dem Hof, den E.’s Frau mit in die Ehe brachte, habe er Pferde gehalten, Kutschfahrtkurse angeboten, für die Jungen sei das ein Abenteuerspielplatz gewesen. Strafverschärfend müsse gelten, dass zwei der Opfer bis heute Schwierigkeiten hätten, Beziehungen einzugehen und sich auf Zärtlichkeiten zuzulassen. „Beides sind Fähigkeiten, die für soziale Kontakte grundlegend sind“, so die Staatsanwaltschaft.

Ihre Forderung nach zehn Jahren Haft machte Verteidiger Matthias Schöneburg allerdings sprachlos: „Als Verteidiger ist es bei Missbrauchsfällen immer schwierig, nicht den Eindruck zu erwecken, man wolle die Tat herunterspielen.“ Straftaten gegen Kinder seien zweifellos immer furchtbar, dennoch müssten sie juristisch richtig eingeordnet werden. „Ich appelliere somit an die Professionalität der Kammer“, sagte er in seinem Plädoyer.

Richter Tiemann kam seiner Forderung dann auch entgegen: „Maßstab ist immer die Schuld des Angeklagten.“ E. habe zwar über viele Jahre lang Jungen missbraucht – die Taten würden sich jedoch auch im schwersten Fall im unteren Bereich der Schuldschwere bewegen. Zehn Jahre seien deshalb nicht angemessen.

Der Landesverband Pferdesport verurteilte Gewalt an Kindern am Donnerstagabend scharf. „Frank E. war uns als aktiver Fahrsportler, Trainer und Vereinsvorsitzender bekannt, wir sind entsetzt über das Leid, das den Kindern und Jugendlichen zugefügt wurde“, so die Landesvorsitzende Nicole Schwarz. Nur ein offensiver Umgang mit dem Thema könne potenzielle Täter abschrecken.

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