zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: „Völlig neue Lebenserfahrung“

Landwirte kämpfen mit extremer Witterung – und suchen den Kontakt zur Wissenschaft

Stand:

Potsdam-Mittelmark - „Klima, Wasser, Landwirtschaft – Wird Brandenburg zur Wüste?“ Mit dieser Fragestellung will der Landesbauernverband Brandenburg jetzt verstärkt den Kontakt zu Wissenschaftseinrichtungen im Land suchen. Derzeit werde ein Symposium vorbereitet, dass dafür eine Initialzündung geben soll, kündigte Wolfgang Scherfke, Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes (LBV), auf einem Pressegespräch im Seeburger Gemüsebaubetrieb Huschke an. Schwerpunkte seien wassersparende Beregnungstechnologien, der Wasserhaushalt und die Suche nach der optimalen Bodenbearbeitung. Auf vielen Gebieten muss Neuland betreten werden.

Fest steht: Die brandenburgischen Landwirte müssen sich zunehmend auf extreme Wettersituationen und Großschäden einstellen. Für Gerhard Ullrich, Geschäftsführer der Brielower Agrar GmbH, ist dies keine theoretische Prognose mehr. Im Frühjahr hat ein Hagelschlag seine Getreidefelder verwüstet und drei Meter breite Gräben in den Erdboden gespült. Den Schaden beziffert er auf 150 000 Euro. „Ich bin 25 Jahre Landwirt, doch das war für mich eine völlig neue Lebenserfahrung“, sagte Ullrich auf dem vom mittelmärkischen Kreisbauernverband organisierten Pressegespräch.

Lang anhaltende Trockenheit, dann Unwetter und Feuchtigkeit haben den Landwirten in diesem Jahr schon stark zu schaffen gemacht. Zur Demonstration führt Landwirt Torsten Huschke auf die Felder seines Gemüsebaubetriebes in Seeburg. Nach der Trockenheit bereitet ihm die Nässe Sorgen. Lange Reihen mit Salatköpfen, die durchgefault sind. Ganze 21 Cent bekomme er vom Handel für einen erstklassigen Salatkopf, Risiken seien im Preis nicht berücksichtigt.Da muss knapp kalkuliert werden im Familienbetrieb, Schäden sind schwer auszugleichen.

Im Obstanbaugebiet von Werder ist man froh, noch das alte Brauchwasserwerk Glindow nutzen zu können. „Ohne würde es nicht gehen“, sagt der Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Werder, Stefan Lindicke. Wirtschaftlich betrieben werden können die Anlagen derzeit nicht, die Stadt musste bereits mehrere 100 000 Euro zuschießen, wie Bürgermeister Werner Große jüngst erklärte. Sie will jetzt einen Eigenbetrieb gründen, um die Wasserversorgung der Obstflur zu sichern und für Wetterkapriolen vorzusorgen. Ohnedies werden durch Fröste im Dürremonat April Einbußen erwartet.

„Unser Ziel ist es, dass die Landwirte nicht nach jedem Großschaden wieder als Bittsteller beim Staat auftreten müssen“, betonte Wolfgang Scherfke vom LBV. Als realistischen Ausweg sieht er die Einführung einer Mehrfachversicherung für Landwirte. Schäden durch Hochwasser, Dürren und Seuchen – alles müsste abgedeckt werden. Vom einzelnen Landwirt wären die Beiträge allerdings nicht zu tragen. Deshalb sei ein staatlicher Beitrag für die Versicherung notwendig. Geld, das zum Teil ohnehin gezahlt werde – zur Zeit noch als direkte Unterstützung nach Großschäden. Scherfke ist sicher, dass sich ein Versicherungsunternehmen dafür interessieren würde. Beispiele gebe es bereits in Österreich, Frankreich oder Italien. Eine solche Versicherung müsste jedoch bundesweit, möglichst EU-weit eingeführt werden. Der Weg bis dahin erscheint noch lang. Erste Konzepte, entsprechende Pilotprojekte in ausgewählten Bundesländern zu testen, seien beim Bund wieder auf Eis gelegt worden.

Das Fazit von Wolfgard Preuß, Vorsitzender des mittelmärkischen Kreisbauernverbandes: „Es ist schwer, Politiker zu überzeugen, dass mit einem Regen nach langer Trockenheit nicht gleich wieder alles gut ist.“ Hagen Ludwig, Henry Klix

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })