Potsdam-Mittelmark: Vom Nebenjob zum Job
Regionalbudget sei Dank: Coaching-Center soll Langzeitarbeitslose fit für die Arbeit machen
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Potsdam-Mittelmark – Es ist ein krasses Beispiel, aber es verdeutlicht, wie sehr sich manche mit Hartz-IV eingerichtet haben: „Als wir einer Frau erfolgreich eine Stelle vermitteln konnten, stand am nächsten Tag ihr Mann vor der Tür – ebenfalls arbeitslos“, erinnert sich Heiko Bunde von der Gesellschaft für berufliche Bildung (GBB) in Beetzsee. „Er fragte, was wir uns denken und wer jetzt zu Hause kochen soll?“ Bunde schüttelt den Kopf. Für viele sei das Leben mit Arbeitslosengeld immer noch attraktiver als mit Arbeit. „Die Leute haben ihre Wohnung und sind sozial abgesichert. Für alles andere werden die Ansprüche eben zurückgeschraubt.“ Und durch Nebenjobs würden ja monatlich noch 80 bis 200 Euro herausspringen.
Seit mehreren Jahren versucht die GBB, Langzeitarbeitslose mit Nebenverdienst fit für einen richtigen Job zu machen. Zwölf Prozent aller Alg-II-Empfänger im Landkreis sind laut der Statistik 2009 geringfügig beschäftigt gewesen, mehr als 1400 Menschen. Sie will die GBB mit sogenannten Coaching-Centern erreichen. Im vergangenen Jahr konnten in zwei jeweils dreimonatigen Schulungen 25 von 82 Teilnehmern in sozialversicherungspflichtige Jobs gebracht werden – sieben in Vollzeit. Die Coaching-Center wurden in Brandenburg (Havel) und in Bad Belzig angeboten, im Sommer soll es ein weiteres in Teltow geben.
Langzeitarbeitslosen soll hier in Gesprächen ihre Lage verdeutlicht werden, „denn eigentlich werden sie in ihren Nebenjobs ausgebeutet“, sagt Heiko Bunde. Als Beispiel nennt er die junge Mutter, die sich unter der Woche ums Kind kümmert und am Wochenende für hundert Euro im Monat kellnert. „Wenn sie krank wird, gibt es kein Geld mehr“, verdeutlicht er die prekäre Lage. Andere würden schwarzarbeiten und sich strafbar machen. Auch Arbeitgebern, die ihren Leuten eine Anstellung versprechen und sie dadurch an Nebenjobs binden, soll auf diesem Wege die Wacht angesagt werden. 50 Prozent der bislang Vermittelten habe man bei ihrem bisherigen Arbeitgeber unterbringen können, so Bunde.
Neben Rat und Hilfe bei der Jobsuche gibt es im Coaching-Center Unterstützung beim Bewerben oder bei der Existenzgründung. Auch Kurse zu Kommunikation, Recht und Elektronischer Datenverarbeitung werden angeboten. Gefördert wird das Projekt aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Im Rahmen des EU-„Regionalbudgets“ kann der Kreis jährlich eine Million Euro an Vereine, Existenzgründer und Einrichtungen wie die GBB vergeben, erläutert Wirtschaftsförderin Eveline Vogel. Das Ziel: Langzeitarbeitslose in Arbeit und gleichzeitig die Region nach vorn zu bringen.
Dass sich beides in einem Abwasch erledigen lässt, zeigen die Projekte, für die in Bad Belzig Geld abgerufen wurde: Der Tourismusverband hat mit Langzeitarbeitslosen die Werbetrommel für den Deutschen Wandertag 2012 gerührt, der Verein Pro Vital aus Ziesar hat sie zu ehrenamtlichen Betreuern für Demenzkranke qualifiziert. In Werder (Havel) gab es Unterstützung für die Gründung der Bio-Stube in den Havelauen.
Viele der Projekte können in diesem Jahr fortgesetzt werden, auch das Coaching-Center. Verantwortlich für die Umsetzung des Regionalbudgets ist das Technologie- und Gründerzentrum „Fläming“. Geschäftsführer Veit-Stephan Zweynert will möglichst viele Langzeitarbeitslose vermitteln. Dafür sei ein Mentalitätenwechsel nötig. Man müsse zeigen: Das Gegenrechnen von Arbeitslosengeld plus Nebenjob gegenüber einer richtigen Arbeit geht nicht auf. Thomas Lähns
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