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Potsdam-Mittelmark: Vom Praktikum zum Broterwerb

Schule und Wirtschaft rücken zusammen / Bessere Azubis durch frühere Praxis

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Werder (Havel) - Ausbildungsnotstand? Demographischer Wandel in der Wirtschaft? In der Region zwischen Werder, Beelitz und Michendorf will man jetzt gegensteuern: Schule und Wirtschaft suchen den Kontakt, um Jugendliche bereits ab der siebenten Klasse auf das Berufsleben vorzubereiten. Wo früher noch übereinander geklagt wurde, steht jetzt ein gemeinsames Ziel.

Am Mittwochabend trafen sich die Leiter der hiesigen Schulen mit Unternehmern und Politikern in Werder, um einen Arbeitskreis „Schule-Wirtschaft“ ins Leben zu rufen. Geplant sind regelmäßige Gesprächsrunden sowie eine enge Zusammenarbeit bei der Vergabe von Schülerpraktika. Auf diesem Weg wollen die Unternehmer ihre künftigen Bewerber so früh wie möglich kennenlernen und begleiten. Schule soll praxisnaher werden.

Kooperationen zwischen einzelnen Schulen und Betrieben gibt es bereits auf kommunaler Ebene. Die Solar-Oberschule in Beelitz hat im vergangenen Jahr Verträge mit 15 Unternehmen in der Spargelstadt unterzeichnet, berichtete Schulleiterin Regina Breyer. Darin haben sich die Handwerksbetriebe, Spargelhöfe und sogar die Polizei verpflichtet, jedes Jahr Praktika anzubieten. Darüberhinaus können bereits Siebtklässler im Rahmen des „Praxislernens“ an insgesamt 15 Stunden pro Schuljahr Berufsluft schnuppern. „Bei den Handwerkern kommen mittlerweile sämtliche Lehrlinge aus Beelitz“, so Breyer.

Erste Erfolge verzeichnet auch das Sally-Bein-Gymnasium in Beelitz: Durch eine Kooperation mit Mercedes in Ludwigsfelde – hier hat ein Ingenieur den Physik- und Technikunterricht begleitet – konnten im letzten Jahr drei Abiturienten vermittelt werden. In der kommenden Woche soll es eine Vorlesungsreihe geben, in der Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft ihre Berufsbilder vorstellen. „Manchmal kostet es aber auch Ausdauer, Unternehmen zu so etwas zu bewegen“, so Schulleiter Jürgen Schwartz.

In Werder hat die Stadtverwaltung die Initiative ergriffen und moderiert zwischen den eigenen Schulen und der Wirtschaft. Auch hier ist das Ziel, Praktikumsplätze zu erschließen – und vor allem sinnvoll zu vermitteln. „Oft werden diese nur zufällig gewählt, ohne dass sich ein Schüler darüber Gedanken macht“, berichtete der Erste Beigeordnete Hartmut Schröder (CDU). Das Interesse für den Beruf, erste Erfahrungen und persönliche Kontakte seien aber bei der Bewerbung mindestens ebenso wichtig wie gute Noten.

Der 7. Werderaner Wirtschaftstages am 30. Mai wird unter dem Motto „Wirtschaft trifft Schule“ stehen. Während am Vormittag mit den Beteiligten diskutiert werden soll, wie Schule und Wirtschaft zusammenrücken können, ist der Nachmittag praktischer Natur: Rund 30 Werderaner Unternehmen – vom Pferdegestüt Bon Homme über Schuke-Orgelbau bis zu Herbstreith & Fox – werden ihre Türen öffnen, damit sich Schüler über Berufsbilder, Lehrstellen und Praktika erkundigen können. Zudem soll eine regionale Praktikumsbörse ins Internet gestellt werden. Die Unternehmen sollen die Möglichkeit haben, potenzielle Lehrstellenkandidaten schon früh persönlich kennenzulernen, sagt Schröder. Andererseits soll aber auch den Schülern rechtzeitig klar werden, was sie im Berufsleben erwartet und welche Voraussetzungen für eine Lehrstelle erfüllt sein müssen.

Solche Einzelinitiativen sollen nun auf größere Füße gestellt werden, der Arbeitskreis Schule-Wirtschaft hat die gesamte Region zwischen Havelland und Fläming im Auge. Unterstützt wird das Projekt von der Landesagentur für Struktur und Arbeit (Lasa), die bis auf weiteres die Koordinierung übernimmt.

Indem die Schüler früh an Unternehmen herangeführt werden, soll auch das Kernproblem gelöst werden: Die mangelnde Motivation. Zu oft würden Bewerbungen „aus dem Bauch heraus“ abgeschickt. Konsequenz: Die Lehre wird abgebrochen, weil die Arbeit keinen Spaß macht. „Die ursprünglichste Motivation der Arbeit als Broterwerb ist in Vergessenheit geraten“, bedauerte Landtagsabgeordnete Saskia Funck (CDU).

Thomas Lähns / Henry Klix

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