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Potsdam-Mittelmark: Vom Schwielowsee nach Osteuropa?
Anlagenbauer ABB erwägt Schließung seines Fercher Standortes. Büchner: Herber Verlust für die Region
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Schwielowsee - Mit über hundert Angestellten war er einst einer der größten Arbeitgeber in der Gemeinde – nun jedoch droht das endgültige Aus. Der Schaltanlagen-Hersteller ABB erwägt, seine Niederlassung im Fercher Gewerbegebiet zu schließen und die Produktion ins Ausland zu verlagern. Diese Befürchtung hat am Montag die IG Metall geäußert. Der weltweit tätige Konzern, in dessen Vorstand in den 1990er Jahren auch der spätere US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld saß, betreibt seit der Wende den Standort bei Glindow. Neben dem Vertrieb firmeneigener Geräte und Systeme und deren Wartung werden hier auch Mittelspannungsprodukte wie Schalter, Module oder Transformatoren hergestellt.
Eine ABB–Unternehmenssprecherin bestätigte am Montag auf PNN-Anfrage, dass derzeit „strukturelle Maßnahmen“ diskutiert würden, mit denen man auf steigende Produktionskosten und immer höheren Wettbewerbsdruck reagieren müsse. Dass der Standort am Ende komplett dicht gemacht und die Produktion nach Tschechien, Polen oder Bulgarien verlagert werden könnte, wie die IG Metall befürchtet, schloss sie zumindest nicht aus.
Bereits 2009 seien laut IG Metall 30 Stellen in Ferch ausgegliedert und ins Ausland verlagert worden. Erst dadurch sei die angespannte wirtschaftliche Situation herbeigeführt worden, kritisiert die Gewerkschaft. Denn seit der Eröffnung 1991 sei der Fercher Unternehmensbereich sehr erfolgreich und innovativ gewesen. Nun jedoch spitze sich die Lage zu. Die Mitarbeiter hätten bereits angeboten, andere, rentablere Produkte in Ferch zu fertigen als Schaltanlagen, erklärte IG-Metall-Bereichsleiter Bernd Thiele gestern auf Anfrage. Die Unternehmenspalette sei breit genung, und über das Know-How würde man in Ferch verfügen. Und ein weiterer, wenn auch für Thiele fragwürdiger Standortvorteil: Die Fercher Belegschaft sei nicht tarifgebunden. Trotzdem habe die Unternehmensführung in Mannheim bereits durchblicken lassen, dass sie kein Interesse mehr an Ferch habe, so der Gewerkschafter. „Es wurden zwei Alternativen genannt: Verkauf oder Schließung.“
Deutschlandweit unterhält die Aktiengesellschaft Asea Brown Boweri, so der vollständige Name des Konzerns, Produktionsstätten in über 30 Städten. In Deutschland werden über 10 000 Mitarbeiter beschäftigt. Weltweit ist ABB mit seinen Tochterunternehmen in hundert Ländern vertreten und beschäftigt 130 000 Mitarbeiter. Sitz der AG ist Zürich. Im vergangenen Jahr hat die Gesellschaft laut eigenen Angaben 38 Milliarden US–Dollar Umsatz gemacht, der Konzerngewinn sei damit um 24 Prozent gestiegen. Das Auftragsvolumen lag dabei sogar bei 40 Milliarden. Zugpferd sei dabei der Verkauf von Systemen zur verlustarmen Stromübertragung gewesen. Aber auch im Bereich der Energiegewinnung konnte ABB Gewinne abschöpfen. Größter Wachstumsmarkt ist Asien: 61 Prozent mehr Aufträge hatte man hier angenommen. In Europa indes seien es acht Prozent weniger als im Vorjahr gewesen.
Solche Zahlen lassen die Mitarbeiter am Fercher Standort nicht gerade optimistisch in die Zukunft blicken. Die IG Metall hat jetzt gefordert, mit den Arbeitnehmervertretern nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen, um den Standort langfristig wettbewerbsfähig zu machen und die hiesigen Arbeitsplätze zu sichern. Das wäre auch im Interesse der Stadt Werder, aus der die meisten Mitarbeiter stammen. Das ABB-Werk liegt an der Gemarkungsgrenze zwischen Ferch und Glindow.
Die Schließungspläne stünden im Kontrast zur Maxime der Kundennähe, die von Vorstandschef Joe Hogan formuliert worden sei, so die IG Metall. Immerhin: Nach den Stellenstreichungen vor drei Jahren sollen nun auch der übrigen Belegschaft alternative Arbeitsstätten angeboten werden. Die nächsten ABB-Standorte befinden sich in Berlin und Nauen.
In der Gemeinde Schwielowsee wurde die drohende Schließung gestern überrascht aufgenommen. Aus dem Rathaus wurde angekündigt, die Meldung zu prüfen. Ferchs Ortsvorsteher Roland Büchner (BBS) erklärte indes, dass eine Verlagerung der Produktion einen herben Verlust nicht nur für seinen Ort, sondern für die gesamte Region bedeuten würde. Und für das Gewerbegebiet Ferch, das die Gemeinde demnächst erweitern will.
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