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KulTOUR: Vom Winde verweht

Hama Lohrmann und Volker Linne in Galerie Töplitz

Stand:

Von Gerold Paul

Werder (Havel) - Aus Goldmaries Sicht ist es völlig egal: Sie fällt in den Brunnen und kommt trotzdem oben an. Mit dieser hohen Dame können Hama Lohrmann und Volker Linne zwar nicht dienen, doch gingen beide ähnliche Wege, der eine herauf, der andere hinab, ohne Horizont weiß ja eh keiner, wo oben und unten ist. Was ihnen unterwegs begegnete, ist nun unter dem Titel „Landart Visionen“ in der Galerie Töplitz für eine Woche zu sehen.

Es sind Augenblicksbilder, Momentaufnahmen eines flüchtigen Seins, mal im aufstrebenden Vorübergehen entstanden, mal nach unten hin gesucht, aber längst verschwunden: Vom Winde verweht, vom Wasser gefressen. Der Bajuware Hama Lohrmann ist natürlich ein Mann der Berge. Er war schon überall in der Welt, in Nepal, in den Alpen, im Indischen, nur in den Karpaten noch nicht. Er sucht das Weite und baut zwischen Berggrat und Tal aus Geröll und Gestein Figuren, die manchmal wie Mandalas aussehen. Diese bezeugen, auf kurze Zeit, dass er „da“ war, als er vorüberging.

Man könnte diese Steinskulpturen auch Fußspuren seiner Wege nennen. Ihre Titel sind seltsam, sie enthalten Ort, Region, Land und Datum seines, Lohmanns, Erscheinen. Wüsten und Berge mag er, Wasser nur von der Kante her. Einsamkeiten sucht er, die Leere, damit er, ja er, sie ausfüllen kann. Töplitz ist zwar weder einsam noch leer, hat aber trotzdem so ein Werk gewidmet bekommen, honores causa, sozusagen. Man findet es auf dem Fußboden der Galerie, ein zweites im Kreisrund des Rasens gleich hinter der Galerie wird noch gebaut. Material ist heimischer Lehm und Schilf vom nahen Ufer des Zernsees.

Nicht allein wegen seiner Zimmermanns-Erfahrung arbeitet Hama Lohrmann gern geometrisch, ganz zuletzt, sagt er, komme ja doch alles wieder auf den Kreis heraus, auf die Ur-Form. Schon ob der Vergänglichkeit, und damit es andere sehen, hat er diese Arbeiten fotografisch dokumentiert, Bücher entstehen daraus. Bis zu vierhundert dieser längst verschollenen Werke soll es gegeben haben. Was aus ihnen da draußen geworden sein wird, interessiert ihn nicht mehr. Eine vorbildliche Einstellung, der etablierte Kunstbetrieb strebt ja stets nach der Ewigkeit hienieden.

Volker Linne kommt aus dem Helmstedter Raum. Nach zweiundvierzig Berufsjahren als Fahrlehrer suchte er sich neue Aufgaben, im kommunikativen Bereich, auch als Pressefotograf. Aber nicht die üblichen Zeitungsbilder sind sein Metier, sondern die künstlerische Fotografie. Er stieg in die verlassenen Tagebaue der Region hinab, die nun allmählich zulaufen. Eine lebensgefährliche Sache, denn während oben einst die Grenze von Ost und West verlief, wirken hier unten die steten Elemente, das Wasser vor allem. Manchmal wächst da schon das standhafte Schilf, sonst aber sieht man Erosionsfiguren, Schwefelrinnsal, herbe Schluchten, tausend Meter tief, oder nur einen hoch, falls sich eine Horizontlinie fände. Aber die verweigert Volker Linne meist. So bekommen seine flüchtigen Findungen, die es manchmal Stunden später schon nicht mehr gibt, eine respektable Eigengröße.

Unheimliche Landschaften mondisch, marsisch, monsterhaftes Milieu, zum Gruseln. Da unten, viele Klafter, wohnen das Schöne und der Schrecken wohl Tür an Tür. Sechsundzwanzig Fotos, sechsundzwanzig Glücksmomente seines Lebens, sagt der gebürtige Berliner. Für dieses respektable Werk hat der Verein Havel-Land-Art sogar das benachbarte Bürgerhaus geöffnet, wo auch der dreiteilige Foto-Film geschaut werden sollte.

Volker Linne zeigt nur unmanipulierte Bilder vom Phänotyp Erde, Vergänglichkeit in Bildern, bis auch sie vergehen mögen und allein das Wort noch bleibt, das letzte, das einzige Wort über Oben und Unten. Insofern ist diese, von der Kulturstiftung des Bundes geförderte, Landart-Ausstellung auch ein Ort zum Träumen.

bis 13. Juni, Samstag und Sonntag 14 bis 18 Uhr, Montag bis Freitag 16 bis 18 Uhr, An der Havel 68 / Dorfplatz. Vernissage am heutigen Samstag um 17 Uhr, eine Stunde vorher spielt das Trio Amortal in der benachbarten Dorfkirche.

Gerold Paul

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