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KulTOUR: Von allen Seiten
Stillleben und Rollkörper in der Galerie Töplitz
Stand:
Werder (Havel) - Der Künstler schafft sein Werk – und der Rezipient denkt das Seine. Was dazwischen liegt, wird oft Kunst genannt. Viel Kunst dergestalt gibt es auch zur letzten Ausstellung des Jahres in der Havel-Land-Art-Galerie zu Töplitz. Vereins-Kustorin Marianne Kreutzberger präsentiert Werke des Malers Mirko Schallenberg und des Bildhauers Maximilian Verhas – zwei Berliner der eher kühlen Sorte.
Sie stellen oft gemeinsam aus, eine Art Seelenfreundschaft, wie der 1960 in Essen geborene Verhas findet: „Wir haben ein Thema, aber ganz unterschiedliche Ausdrucksformen.“ Das stimmt. Acht größere Formate, davon sieben in Öl, zeigen die Denk- und Bild-Art des Malers Schallenberg an den unverputzten Wänden. Stillleben, sagen die einen, Meditationstafeln andere, Motive wie aus der Kühltruhe die Dritten. Alles richtig, alles wahr: Ein hübsch gemaltes Kartenhaus, die „Champagnerpyramide“, ein Gebiss, ein Apfel im Gehäuse und weitere Rätselhaftigkeiten wollen auf die Tendenz all dieser Dinge verweisen, gelegentlich aus dem Gleichgewicht und damit in Bewegung zu kommen. Bewegung sei auch der gemeinsame Nenner der Künstler-Freunde, mithin auch dieser Exposition. Das muss man so nicht sehen, zumal auf Schallenbergs Bildern meist alles intakt bleibt. Unter dem Titel „Grubengold“ ist zum Beispiel ein starrer Stapel aus Gold- und Kohlebarren in leicht geschrägter Bauart abgebildet, dazu ein kaum zu entschlüsselnder Hinweis auf die Ambivalenz des Wortes Kohle. „Umbauter Raum“ zeigt einen Stapel horizontal und vertikal geschichteter Ziegel, von denen wiederum einer „Latenz“ verkörpert. Es braucht so viel Erfahrung, hier weniger zu sehen, als im Bild enthalten ist. Genau das ist ja die Kunst.
Die drei „Köpfe“ indes sind tatsächlich mit Kohle auf die Leinwand gebracht. Zusammen mit „Von allen Seiten“ wollen sie ganz unauffällig auf die „speziellen Rollkörper“ von Maximilian Verhas hinweisen, deren größere Exemplare auf der Erde, die kleineren in Vitrinen zu betrachten sind. Bleischuhe muss man nicht mitbringen, doch rollen können diese Konstruktionen aus Stahlblech oder Bronze schon, und zwar raffiniert. Der „Große offene Rollkörper“ beherrscht gar die Kunst, Lemniskaten (Achten) zu fahren, wenn man ihn anstößt. Was das „Vorrad“ vermag, traut man sich gar nicht zu sagen. Vorbild für diesen exorbitanten Impuls ist die Sehnsucht, eine Skulptur oder Plastik nicht nur von allen Seiten betrachten zu können, sondern möglichst auch noch in Bewegung. Warum, das können natürlich nur schnöde Pragmatiker und vollblütige Kunst-Banausen fragen. Auch wenn bei Verhas mal etwas nicht rollt, ist es hübsch anzusehen, seine Minis sind mal poliert, mal patiniert, genietet oder geschraubt. Da steckt das Werk schon in der Kunst. Was so ein Dings in seinen vakanten Latenzen sonst noch kann, muss auch erst noch erforscht werden. Meist ist ja gerade das Unsichtbare am größten, und zwar von allen Seiten. Gerold Paul
Sa. und So. 14 bis 18 Uhr, Mo. bis Fr. 16 bis 18 Uhr, Dorfplatz Töplitz;, am heutigen Samstag um 16 Uhr Eröffnungskonzert mit Bettina Hartl auf dem Bandoneon
Gerold Paul
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