
© Andreas Klaer
KulTOUR: Von Barthaaren und Luftschlössern
„Tage des offenen Ateliers“ lockten am Wochenende viele Besucher in die Mittelmark
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Potsdam-Mittelmark - Die „Tage des Offenen Ateliers“ muss man nun nicht ständig loben, sie haben sich längst bewährt. Allerdings schaute man diesmal nicht in die makroskopischen Weiten des kunstreichen Schwielowsee-Raums, auch zwischen Teltow und Stahnsdorf wurde man am Wochenende fündig. Zum Beispiel in einem idyllischen Hinterhof mitten im quirlenden Zentrum von Teltow. Eine schmale Zufahrt, ein grüner Hinterhof voller Bilder, die Galerie Altstadthof des gebürtigen Wittenbergers Dieter Leßnau ist nicht nur Freunden des Teltower Kunst-Sonntags ein Begriff. Er selbst ist Fotograf und Galerist mit Hang zum Modernen. Seine „Statt-Ansichten“ zeigen Situationen jenseits touristischer Pflichtrouten, irgendwo in der Welt, oder in Deutschland, schöne Idee. Ausgestellt hat er derzeit den seltsamen Malersmann Mattheo Maaz aus Berlin, der Gott so wie diesen Lenin zu schätzen weiß, der Brücken bauen will zwischen gestern und heute, zwischen seiner Utopie und der real existierenden Welt, zwischen Heiligen und den vielen, vielen Wirklichkeiten. Vielleicht sind Gespräche darüber anregender als ein Palaver ob seiner Ästhetik. Neben Herrn Maaz sind gute Bilder kosovarischer und tschetschenischer Herkunft zu sehen. Gut, dass es so etwas in Teltow gibt.
Zum zweiten entdeckte man an der Alten Potsdamer Landstraße in Stahnsdorf einen Hort aus Produktion und "Lehre", denn einmal wöchentlich versammelt die Keramikerin Thekla Furch bis zu zehn „Schüler“ um sich, gestandene Damen und Herren, welche die Kunst zur Kunst lernen möchten. Sie selbst produziert meist figürlich, sehenswert die in die Länge drängenden Formen, mit Oxyden behandelt, damit sie metallen wirken. Von ihren „Schülern“ könnte man die tollsten Geschichten erzählen: Während Roselore Antol in kubistischbunten Formen über das (oder ihr) „Gefangensein“ nachsann, machte Franziska Anders ihrer Tochter eine Freude, indem sie ihr das Porträt von Frida Kahlo malte. Ein sinnliches Porträt der Rodin-Geliebten Camille Claudel gleich daneben. Geschichten nach oder mit Bildern erlebt man also auch am Teltowkanal.
Am Rande der idyllischen Buschwiesen von Teltow wohnt Angelika Watteroth, eine Malerin der besonderen Art. Eigentlich hat sie den Pinsel längst beiseite gelegt, arbeitet in ihrem Kelleratelier nur noch mit dem Spachtel. Stadtansichten, Porträts, Aquarelle, etwas Gebrauchsgrafik nach ihrem Beruf – Bilder verschiedener Mal-Phasen im ganzen Haus, und das Bekenntnis: Ich bin noch lange nicht fertig! Ihr hat es die Ästhetik von Lyonel Feininger („schwer zu kopieren“) angetan. Von der Teltower Kirche bis zum geliebten Eiderstedt findet man diesen farbintensiven Kubismus, dieses laserhafte Strahlen. Sie besteht freilich darauf, „keine Feiningers“ zu malen. In kaum zehn Jahren hat sie viel erreicht, ein frühes Porträt ihres Mannes beweist es: „Da stimmt noch jedes Barthaar!“
Mehrere künstlerische Adressen hält derzeit Stahnsdorfs Wilhelm-Külz-Straße 75 bereit. Unten wird eine Ausstellung des chilenischen Malers Mario Paublo vorbereitet. Er hat ein seltsames Faible für die menschliche Anatomie, surrealistisch wiedergegeben. Die „Atelieretage“ unterm Dach teilen sich ein künstlerisch ambitionierte Physiker, eine kreative Seidenweberin und die Malerin Gudrun Angelika Hoffmann, die ziemlich verrückte Sachen malt; ihr Atelier nennt sie sinnigerweise "Himmelsleiter". So kam man zum Tag der Offenen Ateliers nicht nur viel herum, sondern auch ganz schön weit hinauf.
Gerold Paul
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