KulTOUR: Von Hagemeister bis Skarbina
Am Sonnabend begann die dritte Verkaufsausstellung der Havelländischen Malerkolonie in Ferch
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Schwielowsee · Ferch - Das unübersehbare Schild „Ferch Malerdorf“ begrüßt Ankömmlinge an allen Ortseingängen. Längst sind die mittlerweile berühmten Vorfahren aus der Havelländischen Malerkolonie entdeckt, nun geht man daran, das kostbare Erbe zu pflegen. Im Mai wird der Heimatverein „seine“ Künstler mit einer Extra-Publikation vorstellen, doch schon zum vierten Male präsentiert der Berliner Galerist Velio Bergemann deren Bilder vor Ort.
Am Sonnabend fand die Vernissage zu seiner dritten Verkaufsausstellung unter großem Publikumsandrang im Veranstaltungsraum der weitläufigen Pro-Curand Seniorenresidenz statt. Tessy Bortfeldt las zur Einstimmung aus ihrem Buch „Frühes Licht und späte Schatten“, eine Lebensdarstellung über Marie Goslich, die mit Baumgartenbrück und somit auch mit Namen wie Karl Hagemeister und Theo von Brockhusen verbunden war. Dicht gedrängt präsentierten sich dann mehr als dreihundert Werke aus dem Privatbesitz Bergemanns in Fluren und Räumen des Erdgeschosses, schön gehängt und mit Informationen zu Bild und Maler ausgestattet.
Über 50 Künstler sind da zu bestaunen, darunter viele, die zugleich der Berliner Sezession, also den „ganz Fortschrittlichen“, angehörten. Anstelle eines Kataloges gibt der Galerist die reichillustrierte, etwa hundert Seiten starke Schrift „Flottstelle und Ludwig Mies van der Rohe“ heraus, ein weiterer Beitrag über die von ihm seit längerem erforschte „Havelländische Künstlerkolonie“. Darin findet man neben allerlei Neuigkeiten über das Wirken der Architekten Mies van der Rohe (Autor Wolfgang Post) in Caputh und die von van der Velde miterbaute Geltower Villa Stern zahlreiche Maler des Havellandes in Schrift und Werken wieder: Carl Schuch, Gerhard Gisevius, Hans Otto Gehrke, Eugen Bracht, und viele andere.
Malerkolonie – Künstlerkolonie? Bergemann plädiert in seiner Einführungsschrift dafür, den zweiten Topos zu benutzen, weil auch Musiker und Architekten dazugehörten. Gründungsort ist „unbestritten“ das Ferch Karl Hagemeisters; die virtuelle „Kolonie“ reichte indes über Caputh, Geltow und Werder bis hinüber nach Leest und Alt-Töplitz, wo Orts-Chronist Markus Vette kürzlich ein Buch über Georg Tappert und Erich Wulfert veröffentlichte. Was der gebürtige Niederländer Velio Bergemann im Malerdorf zusammentrug, dürfte den heimatbeflissenen genauso interessieren wie den weltläufigten Kunstfreund, die illustre Schar der Sammler aus Berlin mit eingeschlossen.
Eugenie Sommer malte den „Gendarmenmarkt“ fast so exakt, wie ein Schinkel es getan hätte, Bruno Marquardt die „Dampferanlegestelle“, Carl Langhammer aquarellierte eine hübsche „Havellandschaft“, Egon von Kameke zeichnete einen weiblichen Akt mit Kohle, Franz Skarbina schuf mit seinem „Porträt einer Dame“ richtig „schweres Öl“. Namen wie Leistikow, Sprotte, Zeller und Antoine liest man wahrscheinlich eher vom Namen her, Orlik, Paeschke oder Gaul mehr von ihren Bildern, wobei man hier und dort schöne und historische Rahmen bewundern kann.
Auch ein Barlach ist dabei. In Stil und Qualität sehr unterschiedlich, findet das kunstsinnige Auge alles, was man sich an klassisch gewordener Alt-Moderne nur wünschen kann. Vom allegorischen Ölschinken über den Havelländischen Impressionismus bis zu graphischen Finessen und expressionistischen Versuchen ist alles dabei: Landschaftsdarstellungen, Genre- und Städtebilder, Figürliches, auch ein paar Alpendarstellungen von Gisevius. Was will der Künstler mehr, als so begehrt zu werden? Nach Nudow 2005 übrigens eine weitere Gelegenheit, die südlich Berlins beheimatete „Malerei um 1900“ zu inspizieren.
Für ein komplettes Werkverzeichnis zu Hagemeister bittet der Galerist um Hinweise von Privatsammlern. Die Ausstellung läuft bis zum 5. Juni täglich 11 bis 18 Uhr in Ferch, Burgstraße 9
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