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Potsdam-Mittelmark: Von manuell zu digital

Die Bahn rüstet ihre Stellwerkstechnik um, ab November beginnt auch in Michendorf ein neues Zeitalter

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Die Bahn rüstet ihre Stellwerkstechnik um, ab November beginnt auch in Michendorf ein neues Zeitalter Von Henry Klix Seddiner See - Seit Jahrzehnten verrichtet es treu seinen Dienst. Jetzt hat das Stellwerk am Bahnhof Borkheide ausgedient. Die Drahtzüge, mit der der Bahnwärter mit Muskelkraft die Weichen und Signale stellt, haben ihre Zeit überlebt. Magnetschalter oder Relais wird der Bahnhof nicht mehr kennen lernen. Gleich mehrere Etappen der Technikgeschichte werden jetzt übersprungen: Mit der Einrichtung des Elektronischen Stellwerks in Michendorf beginnt auch am Borkheider Schienenknoten das digitale Zeitalter. Bundesweit stellt die Deutsche Bahn seit fünf Jahren ihre Stellwerkstechnik um, sagt DB-Netz-Sprecherin Claudia Münchow. Während in Borkheide Gleise und Signale nur in Sichtweite gehandhabt werden dürfen und auch an anderen Bahnhöfen zum Teil an jedem Bahnhofskopf im Dreischichtbetrieb gearbeitet werden muss, soll es künftig deutschlandweit nur noch sieben Betriebszentralen geben, eine davon in Berlin-Pankow. Von den Zentralen aus sollen die neuen Stellwerke überwacht werden, die jeweils einen Einzugsbereich von etwa 160 Kilometer haben, weiß Bauüberwacher Oliver Nickel von der DB Netz. Bits und Bytes sollen dann die Fahrwege zwischen den Bahnhöfen frei halten und Signale und Weichen schalten. Mit dem Elektronischen Stellwerk in Michendorf – einem unscheinbaren, weißen Zweckbau an der Eisenbahnbrücke in der Flottsteller Straße – kommen fünf alte Stellwerke rund um Michendorf aufs Abstellgleis: Neben Borkheide hält auch in Michendorf, Wilhelmshorst, Seddin und Beelitz-Heilstätten die neue Technik Einzug, sagt Nickel. In sieben jeweils schrankwandgroßen Metallkästen sind die Server untergebracht, die von zwei Leuten in der Betriebszentrale in Pankow aus gesteuert werden können. Derzeit läuft die Technik noch virtuell, rollen die Züge nur zum Schein und gibt es Nachbesserungen an Programmen und Systemen. Das soll sich im November ändern. Im vorigen Jahr wurde mit dem Bau von 500 neuen elektronischen Stellwerken ein Spitzenwert erreicht: Satte 500 Millionen Euro investierte die Bahn in die effizientere Technik. Besonders im Hauptstreckennetz soll der Verkehr durch die in Siemens-Computer einprogrammierten Fahrpläne reibungsloser, schneller und pünktlicher funktionieren. Doch immer noch müssen 5600 alte Stellwerke umgestellt werden, allein in Michendorf wird ein Millionenbetrag verbaut. Die Ablösung der alten Technik, bei der Nickel und Projektleiter Erwin Müller in Michendorf Hand in Hand wirken, ist eine Sisyphusarbeit. Alles ist ausgerichtet auf den Tag X. Das Problem: Die alten Weichen und Signale sind mit der zukunftsträchtig Technik nicht kompatibel. Neue Signalmasten stehen deshalb bereits vor den alten, die weißen Kreuze zeigen den Zugführern, dass sie noch nicht in Betrieb sind. Kabelbäume werden an den Schienen entlang verlegt und Motoren an Weichen aufgestellt. Im November muss dann ein kleines Meisterstück abgeliefert werden. Da die Elektromotoren an den Weichen nicht einfach außer Betrieb genommen werden können und eine schrittweise Einführung der Elektronik nicht machbar ist, muss in einer Nacht die komplette Weichentechnik ausgetauscht werden. Dann bleibt Erwin Müller und OIiver Nickel nur noch die Hoffnung, dass alles wie geplant funktioniert. Seit über 100 Jahren gibt es die alte Stellwerkstechnik von Borkheide. Die Relais-Stellwerke, wie sie in Michendorf, Wilhelmshorst, Seddin und Beelitz-Heilstätten arbeiten, wurden bereits nach dem Krieg eingeführt. Wie lange die neue Technik halten wird, vermag Oliver Nickel nicht zu prophezeien. Aber irgendwo an einem vergessenen Flecken in Deutschland, ist er sich sicher, werden wohl auch in 20 Jahren noch die Weichen mit der Kurbel gestellt.

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