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Potsdam-Mittelmark: „Von Nullvariante will ich nicht reden“

Der Sprecher des Bauministeriums, Lothar Wiegand, zum Stand der Netzverknüpfung

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Der Sprecher des Bauministeriums, Lothar Wiegand, zum Stand der Netzverknüpfung Das Thema Netzverknüpfung, die geplante, südliche Ortsumgehungsstraße Potsdams, ist wieder in aller Munde: Es gibt Anfragen im Landtag und lautstarke Proteste. Und auch den Michendorfer Gegnern der dortigen Ortsumgehungsstraße schwant für die neue Organisation der Verkehrsströme schlimmstes. Man hat allgemein den Eindruck, es mangelt im bisherigen Planungsverfahren an Transparenz und es gibt viele Unklarheiten. Können Sie uns aufklären? Das ist auch mein Eindruck. Initiativen melden sich zu Wort und es geistern Informationen durch die Öffentlichkeit, die so nicht stimmen. Also was sind die Fakten: Seit 1999 ist das Raumordnungsverfahren, mit dem eine Variantenfestlegung im Potsdamer Süden erfolgen sollte, gestoppt. Niemand hat das Mandat, das Verfahren wieder anzuleiern. Das Bauministerium wartet auf ein abgestimmtes Verkehrskonzept von der Stadt Potsdam und dem Landkreis Potsdam-Mittelmark. Mit dieser gemeinsamen Forderung sind wir damals 1999 auseinander gegangen, doch es liegt noch nichts abschließendes vor. Es gibt ein Verkehrsentwicklungskonzept der Stadt Potsdam und den Entwurf eines Konzeptes aus Potsdam-Mittelmark, der noch nicht beschlossen ist. Wir wissen nicht, ob die Konzepte zueinander passen. Was wir eigentlich wollten, nämlich eine vorherige Abstimmung, ist allen Verlautbarungen nach so offenbar nicht erfolgt. Gibt es aus diesen Konzepten heraus Vorschläge, wie die Netzverknüpfung aussehen könnte? Aus dem Potsdamer Konzept geht hervor, dass die Verbindung zwischen B2 und B1 über den Templiner See, der sogenannte dritte Havelübergang, am Wichtigsten erscheint. Das allein ist aber noch keine sinnvolle Ortsumgehung. Es würde bedeuten, dass Bereiche an den Enden der neuen Straße, also Potsdam-West, Golm, Wildpark-West und Michendorf, stark belastet würden. Deshalb müssen wir eine vernünftige Weiterführung von der B1 Richtung Nordwesten und von der B2 Richtung L40 bekommen. Es ist zugegebenermaßen schwierig, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen, aber genau das ist jetzt die Aufgabe der politisch Verantwortlichen vor Ort in der Region. Erst wenn wir die genauen Vorstellungen der wichtigsten Nutznießer kennen, macht es Sinn, zu überlegen, ob wir das Raumordnungsverfahren fortsetzen. Ich wehre mich entschieden dagegen, dass auf das Land gezeigt wird mit der Behauptung, es würden irgendwelche Planungen aus der Schublade gezogen. Zumindest gibt es in dem im Herbst durch den Bundestag verabschiedeten Bundesverkehrswegeplan eine festgelegte Linie von der verlängerten Wetzlarer Straße durch die Ravensberge auf die B2, von dort über den Templiner See hinter dem westlichen Stadtausgang auf die B1, von dort dann durch Wildpark West über den Zernsee durch Werder auf die A10. Was hat es denn damit auf sich, inwieweit und mit wem ist diese Strecke abgestimmt? Man darf den Bundesverkehrswegeplan nicht mit einer Planungskarte verwechseln. Er sagt nur grob, wo Bedarf für die Verkehrsentwicklung besteht. Der wurde im alten Bundesverkehrswegeplan im Süden Potsdams genauso gesehen wie im neuen. Was mit roten Strichen dort in Karten eingezeichnet wird, sind schematische Darstellungen, die nichts mit einer konkreten Trassenführung zu tun haben. Von daher ist die Berufung auf den Bundesverkehrswegeplan irreführend. Fakt ist doch aber, dass so eine Netzverknüpfung den Charakter eine Ortsumgehung tragen müsste, um vom Bund bezuschusst zu werden. Sie müsste wichtige Hauptverkehrsadern miteinander verbinden und damit den überflüssigen Verkehr aus dem Stadtbereich herausziehen. Man hat das Gefühl, so viele Varianten sieht die Verkehrsverwaltung da nicht, wenn sogar in Erwägung gezogen wird, quer durch die Ravensberge, den Wildpark und über zwei touristisch stark frequentierte Havelseen zu bauen. Es gab trotz aller bereits geäußerten Bedenken in den Planungen bislang nur eine Veränderung: Statt über Golm zur B 273 hat jetzt die Strecke über Werder zur A10 im Bundesverkehrswegeplan höchste Priorität. Wird damit der einzig denkbare Spielraum formuliert oder ist vielleicht nach Abschluss des Raumordnungsverfahrens noch eine völlig andere Streckenführung zu erwarten? Wir werden nicht alles, was bisher ermittelt und geprüft wurde, über den Haufen werfen und etwas ganz anderes machen, zumal sich die Möglichkeiten nicht über Nacht vermehren. Was sich immer anbietet und ja auch in diesem Fall möglich ist, ist die Verbindung mit bestehenden Bahntrassen. Das heißt aber nicht, dass nicht Spielräume bestehen würden, um mögliche Belastungen abzumildern. Solche Fragen können aber erst innerhalb der Überlegungen zur konkreten Linienführung beantwortet werden. Wenn bestimmte unzumutbare Belastungen für einen Bereich auftreten, muss nachgedacht werden, wie sie minimiert werden können. Das ist Aufgabe jedes Straßenplaners und wird, wie ich versprechen kann, in diesem Fall mehr als ernst genommen. Der neue Bundesverkehrswegeplan ist bis zum Jahr 2015 befristet. In welchen Zeiträumen könnten Sie sich ein Vorwärtskommen vorstellen? Die Planungsverfahren dauern umso länger, je komplizierter die Abstimmungen, je größer die Widerstände und je mehr Akteure einzubinden sind. Realistischerweise wird innerhalb der nächsten 10 Jahre kein Spatenstich stattfinden. Das Bauministerium hat keinen Grund, zu drängeln. Die Straßenbauverwaltung hat mit anderen Projekten genug zu tun. Nebenbei gesagt ist der Bundesverkehrswegeplan kein Finanzierungskonzept, er sagt nur, wo vorbehaltlich einer Finanzierung Bedarfe bestehen. Da einmal der Bedarf bestimmt ist, wäre es aber schon sinnvoll, dass die Beteiligten sich jetzt abstimmen. Auch wenn Potsdam derzeit noch nicht der Verkehrsinfarkt droht, wird der Verkehr in diesem Raum nach allen Prognosen in nächster Zeit massiv zunehmen. Es wird immer wieder argumentiert, dass die Netzverknüpfung der Preis dafür ist, dass der Bund einen dritten Havelübergang finanziert. Statt die ISES in Potsdam voranzutreiben, die vielleicht ein viel sinnvollerer Beitrag zur Verkehrsentlastung wäre, statt über kleinere Entlastungsmöglichkeiten nachzudenken, plant man 52 Millionen Euro teure Großprojekte im Umland. Drückt sich das Land hier vielleicht auch um seinen Finanzierungsbeitrag an den Verkehrsproblemen der Landeshauptstadt? Die ISES ist eine innerstädtische Straße und Sache der Stadt Potsdam. Die Bedeutung und die Auswirkung der ISES auf die Netzverknüpfung müsste im Rahmen des integrierten Konzeptes, das durch uns eingefordert wird, dargestellt und diskutiert werden. Auch hier ist Potsdam der wesentliche Akteur, der sagen muss, was er will. Das Land nimmt aber durchaus großen Anteil an den Problemen. Können Sie den Protest vielleicht verstehen und nachvollziehen, dass mit dieser Ortsumgehung auch etwas von dem kaputt gemacht werden könnte, was die Region ausmacht? Immer da, wo Planungen diskutiert werden, hat man zurecht auch Leute, die warnend den Zeigefinger heben. Dass diese Stimmen im Rahmen des Raumordnungs- und des Planfeststellungsverfahrens auch gehört werden, ist ja das Gute an der Demokratie. Doch Straßenplanung steht immer im Konflikt, auch den Bedarf für eine vernünftige Verkehrsverbindung zu decken und etwas für die Wirtschaftsentwicklung zu tun. Fahrzeiten sind Wirtschaftsfaktoren. Wir müssen daher versuchen, die Belange der Wirtschaft mit denen von Umwelt, Natur und Betroffenen unter einen Hut zu bekommen. Kann es sein, dass am Ende des Raumordnungsverfahren eine Nullvariante steht? Solche Aussagen werden immer gern aus dem Hut gezogen unter dem Motto: „Wenn ihr euch nicht bewegt, dann passiert gar nichts.“. Aber das ist nicht Politik unseres Hauses. Wir wollen etwas tun für das Land Brandenburg. Dazu gehören auch vernünftige Verkehrsverbindungen. Wenn man besser ins Umland kommt, dann kommen auch mehr Leute ins Umland. Davon können alle profitieren. Von einer Nullvariante will ich da nicht reden. Das Gespräch führte Henry Klix

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