Potsdam-Mittelmark: „Von rastloser Sorgfalt umschwebt“
Schutzbereich feiert Jubiläum der Mark – Brandenburgs neuer Polizeilook besteht Geschichtstest
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Brandenburg (Havel) - Mancher Polizist in Brandenburg mag die Stirn in Falten legen – die „Polizei-Historischen Schutzleute Berlin“ finden sie prima: die neuen Uniformen der Brandenburger Polizei. Zum 850. Jubiläum der Mark Brandenburg wollte gestern auch der Polizeischutzbereich gleichen Namens nicht zurückstehen – bei einem Tag der offenen Tür wurde der Bogen vom Einst ins Morgen gespannt. Technik wurde ausgestellt, Vorträge gehalten, über die Polizeiarbeit- und Ausbildung informiert.
Aber das Hauptinteresse galt dem neuen Polizeilook: Während der Berliner Traditionsverein mit Pickelhauben durch die Kulisse marschierte, wurden bei einer Modenschau die blauen Uniformen präsentiert, die ab Oktober landesweit zum Tragen kommen. Innerhalb von drei Jahren soll die Polizei dann komplett blau gewandet sein. Mancher Gesetzeshüter ist skeptisch, von „Wachschutzlook“ ist vereinzelt die Rede.
Doch Volker Kring von Berliner Uniformverein findet blau genau richtig, und verweist auf die Vergangenheit: Die deutsche Polizeigeschichte stecke voller blau gewandeter Gendarmen. Grün wurden die deutschen Uniformen erst in den 70er Jahren. Und auch mit Blick nach Europa sagt Kring: „Blau ist respekteinflößend. Es kommt natürlich auch darauf an, wer in der Uniform steckt.“ Er bedauert ein bisschen, dass in Berlin das Geld für die Umstellung nicht reicht.
Kritisch werden im Schutzbereich Brandenburg vor allem die neuen Mützen gesehen, und selbst Kring meint, das sei ein bisschen zu viel „Hollywood“. Runde und achteckige wurden zur Wahl gestellt, als vor einem Jahr ein „Trägerversuch“ mit 300 Polizisten aus der Lausitz und der Prignitz gestartet wurde. „Zwei Drittel haben sich für die achteckige Mütze entschieden, unter den jungen Polizisten sogar 90 Prozent“, sagt Erhard Bönkendorf. Beim Zentraldienst in Wünsdorf ist er als Teilbereichsleiter für die Bekleidung zuständig. Trost für die Skeptiker: Sie dürfen künftig auch Basecaps – auf behördendeutsch „Polizeikappen“ – tragen. Ein bisschen umstritten bleibt dann noch die neue Cargohose mit Seitentaschen. „Die Jeans zerbeult zwar, ist aber praktischer“, wurde nach der Modenschau unter den Grünen gefachsimpelt.
Einige der neuen Bekleidungsstücke und Accessoires wurden nach dem „Trägerversuch“ vom Zentraldienst mit zusätzlichen „Polizei“-Aufschriften ergänzt, um Missverständnisse auszuschließen. Der Variantenreichtum der zeitlos wirkenden Teile ist beachtlich, von Strickrollis aus Klimagarn über Stirnbänder und bioaktive Poloshirts bis hin zur Softshell- oder Fleecejacke. Extravagant: die versetzten Taschenpatten.
Zurück zum blau – aus der Geschichte kann man lernen. Hubert Schuster hat über die märkische Polizeigeschichte promoviert – und in Erfahrung gebracht, dass sich vieles wiederholt. Schuster nannte in einem Vortrag über die Uniform hinausgehende Beispiele: Hinweise über Machtmissbrauch und Willkür würden sich durch die Jahrhunderte ziehen. Tagelang hätten die Leute im 16. Jahrhundert auf den Polizeistationen gewartet, um ihren Fall vortragen zu dürfen – Händler verkauften vor den Amtsstuben Essen und Decken. Aber immerhin, ein märkischer Reisender resümierte Mitte des 18. Jahrhunderts: „Unser Eigentum ist ebenso sicher wie unsere Person.“ Historisch gesehen ein Erfolg: Noch bis 1499 galt in der Kurmark das Faustrecht.
Der Potsdamer Polizeipräsident Bruno Küpper wünschte sich angesichts solcher Reflexionen, dass sich die Polizeigeschichte auch im Curriculum der Polizei-Fachhochschule Oranienburg wiederfindet. „Da gibt es Nachholbedarf“, sagte Küpper – auch was das Erinnern an die Rolle der Polizei im Dritten Reich anbetrifft. Sein Vorgänger Detlef Graf von Schwerin würde sich derzeit ähnliche Gedanken machen, er leitet inzwischen ein Zentrum für Zeitgeschichte an der Polizei-Fachhochschule des Landes.
Harald Schuster fand gestern derweil vor allem die Geschichte bis 1815 interessant: Die Polizeistrukturen seien seit den Stein-Hardenbergschen Reformen vor 200 Jahren nahezu unverändert geblieben. Und auch das Musterbild des Polizisten, wie in einem Polizei-Handbuch von 1806 beschrieben: „Ihr aufmerksames Auge ist überall, ihre hilfreiche Hand ist jederzeit bereit, und unsichtbar umschwebt uns stets ihre rastlose Sorgfalt.“ Das sollte mit den blauen Uniformen wieder Einzug halten.
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