
© A. Klaer
KulTOUR: Von Tier zu Tier
Wie ein Philosoph die Liebe zum Tier erklärt
Stand:
Stahnsdorf - Zum Verständnis des Spruchs „Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz“ braucht niemand eine Philosophie, höchstens Philosophen. Die sagen dann, man solle oder müsse dem Tier „Innerlichkeit zugestehen“, und geben das als etwas Eigenes aus. Fragen von Mensch zu Mensch oder Mensch zu Tier waren am Valentinstag Gegenstand eines philosophisch-literarischen Abends im Stahnsdorfer „Café im Garten“.
Dazu hatte man Andreas Weber eingeladen, Biologe, Philosoph, Autor und Politikberater in einer Person. Seine Spezialität ist der Kampf gegen die positivistische, rein mechanistische Interpretation von Lebensphänomenen, wie sie der biologische Mainstream seit Jahrzehnten lehrt. Für ihn hängt alles irgendwie zusammen, alles kommuniziert, alles empfindet, vom Pantoffeltier bis zum Kamel. Zwergesel inbegriffen, selbst wenn sie beim Vortrag im Hof des Anwesens stehen und stumm an ihrem Stroh knabbern.
Die sensiblen Langohren aus Stahnsdorf sind schon lange Gegenstand eines Nachbarschaftsstreites, ausgerechnet im Meisenweg! Sie stinken, sie stören, sie sollen weg, die Esel. Ob die Weisheit des Biosemiotikers Weber dies verhindern kann?
Genügend Eloquenz und Selbstwertgefühl zeigte ja auch er, und dass er ein Esel sei, hat er selber gesagt. Im langen Prolog erklärte er dem proppevollen Schankraum, dass der Mensch mitnichten die Krone der Schöpfung ist: „Wir sind die Tiere, die gut denken können und gern Tiere zur Gesellschaft nehmen.“ Was für eine tiefschürfende Logik: Das Tier kann fühlen – der Mensch kann fühlen, folglich ist er, Darwin zuliebe, ein Tier, auch wenn er es selber nicht glaubt. So sei auch die menschliche Herzensbindung an die Kreatur zu erklären.
Immerhin haben zwei Drittel der Zuhörer selber Tiere zu Hause. Und während draußen also noch die Esel mampften, verwandelte sich der harmlose Abend drinnen in einen Diskurs von Tier zu Tier. Weber sprach viel über Kommunikation, über das Platonische Wiedererkennen. Es gehe darum, die menschliche Identität wiederzufinden, denn „wir sind keine tote Materie, keine Maschinen, sondern fühlende schöpferische Wesenheiten in einer Welt fühlender Wesenheiten“. Mit solch Instrumentarium lässt sich jetzt trefflich darüber philosophieren, warum eines sich im anderen zeigt, und warum die Kuh eine Kuh ist, und nicht ein Esel.
Dann folgte die Nutzanwendung vom Ganzen. Er las eigene Texte über Maikäfer, Ratte und Schneeglöckchen, alles von seinen Sinnen wahrgenommen und in seiner Philosophie gebadet. So dichtete er der Hundsrose einen „Beischlaf mit den Dingen“ an, entdeckte endlich die „Lust der Rosen“ ad hoc. Ja, seinem Scharfsinn blieb nicht einmal verborgen, wie sehr sich das Gras vor dem Gefressenwerden fürchtet. Deshalb also das Zittergras!
Kühn auch seine Idee, den Frühling „Endphase einer Krankheit“ zu nennen. Ob diese Protokolle tatsächlich die Korrespondenz zwischen den „Lebensphänomenen“ wiedergeben, darf machtvoll bezweifelt werden. Weber bedient letztlich auch nur eine sensitive Abart der heutigen Biologie. Was jedes Kind, jedes Märchen, jeder Esel von der Sensibilität der Lebewesen weiß, das weiß nun auch er: „Wir leben in einer Wirklichkeit, die empfindsam ist und sich selbst wünscht, und die anderes Leben erkennen kann.“ Da ist er ja fast schon auf der Zielgeraden aller Forschung. Genug Stoff jedenfalls für eine lange Diskussion danach. G. Paul
G. Paul
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