Potsdam-Mittelmark: Von Zinnpest und Bleizucker
Matthias Schuke sprach im Heimatverein Werder über Orgelbau
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Matthias Schuke sprach im Heimatverein Werder über Orgelbau Von Elisabeth Richter Werder. Die Potsdamer Orgelbaufirma Schuke zieht nächstes Jahr nach Werder, weil ihre Räumlichkeiten in Potsdam zu klein geworden sind. Zwar bleibt der Betrieb beim Namen „Schuke Potsdam“, doch ist es den Werderanern offenbar nicht gleichgültig, dass schon bald in ihrer Stadt Orgeln gebaut werden. Der Heimatverein Werder lud Matthias Schuke, den Geschäftsführer der „Alexander Schuke Potsdam Orgelbau GmbH“, zu einem Vortrag ins Gemeindehaus in der Adolf-Damaschke-Straße ein, und viele, viele kamen, der Raum war gefüllt bis auf den letzten Platz. Matthias Schuke referierte gut anderthalb Stunden über die Geschichte des Orgelbaus, und er verstand es, das etwas akademisch klingende Thema derart packend und dabei klar und knapp auszubreiten, dass die Zuhörer am Ende mit dem Gefühl auseinander gingen, es gebe nichts Interessanteres auf der Welt als eine Orgel. Dabei hatte es der Vortrag in sich, ist doch die Geschichte des Orgelbaus nicht zu trennen von seiner technischen Entwicklung und – entsprechend – der musikalischen Entwicklung der Epochen mit ihren jeweiligen Ansprüchen ans Spiel. Für Matthias Schuke bedeutete dies, sehr komplexe Zusammenhänge in einer für Laien zumindest nachvollziehbaren Form zusammenzufassen. Orgeln sind Unikate, einmalige Instrumente, die für ihre jeweilige Umgebung und deren räumliche Besonderheiten eigens gebaut werden. Waren die ersten Orgeln im germanischen Raum noch Portative, die zu Prozessionen durch die Straßen getragen wurden, so wurden diese Instrumente spätestens in der Barockzeit zu gewaltigen Kircheneinbauten von mehreren Metern Ausdehnung. Die Portative, für deren Bedienung man übrigens sechs Mann brauchte – vier zum Tragen, einen für den Blasebalg und einen zum Spielen - waren vergleichsweise „primitiv“ (Hauptsache: laut), sie wurden mit der Faust angeschlagen und haben bis auf das allen Orgeln eigene Wind- und Pfeifenprinzip wenig mit der raffinierten Mechanik der Barockorgeln zu tun, die teils bis zu vier Manuale besaßen und über zahlreiche Register verfügten, um bestimmte Klangfarben zu erzeugen. Jedoch ist von Anfang an das zentrale Problem des Orgelbaus das Gleiche geblieben: Wind muss so durch die Pfeifen bewegt werden, dass ein Ton entsteht. Es muss also eine Verbindung zwischen Taste und Tonventil geschaffen werden. Das klingt einfacher, als es ist, denn Tastenbeweglichkeit und Riesenklang, also viele Pfeifen betätigt durch zahlreiche Ventile, sind unvereinbar miteinander. Auf einer trägen pneumatischen Orgel des 19. Jahrhunderts schnelle Triller zu spielen entspricht der Quadratur des Kreises: es geht nicht. Mit vielen Dias zeigte Matthias Schuke anschaulich, wie sich das Aussehen der Orgeln durch die Jahrhunderte veränderte, und wie besondere Gegebenheiten, zum Beispiel die riesigen Kathedralen in Spanien, eigene Lösungen hervorbrachten wie die sogenannten Spanischen Trompeten, das sind horizontal angebrachte Zungenpfeifen. Dass Orgelpfeifen sogar an Krankheiten wie Zinnpest und Bleizucker leiden können, erstaunte am Ende keinen mehr, schien doch die Orgel unterdessen für alle ein lebendiger Organismus geworden zu sein. Es war ein anspruchsvoller Vortrag, inhaltschwer und leicht zugleich. Matthias Schuke stellte sich selbst in die Reihe derer, die sich auf Erfahrung und Tradition berufen, von ihm restaurierte Orgeln stehen unter anderem im Dom zu Schwerin und im Erfurter Dom, eine neue Orgel wird er bald in Mexiko bauen. Die Zuhörer konnten Fragen loswerden, und unter anderem erkundigte sich ein Patriot, ob sich beim Räumen des Lagers nicht eine kleine Orgel für Petzow finden ließe Er erntete fröhliches Gelächter. Klangbeispiele auf der Schuke-Orgel von 1938 im Gemeindehaus rundeten den Vortrag ab, Rohrflöte, Gedackt 8'' („Achtfuß“) und Cymbel: Man hörte einmal ganz anders zu.
Elisabeth Richter
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