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Potsdam-Mittelmark: Warten auf Anschluss

Unerfüllte Zusagen des Landes zur Verkehrsanbindung lassen Stahnsdorfs Gewerbegebiet brach liegen

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Unerfüllte Zusagen des Landes zur Verkehrsanbindung lassen Stahnsdorfs Gewerbegebiet brach liegen Von Peter Könnicke Stahnsdorf - „Eines Tages werden wir am Stahnsdorfer Gewerbegebiet vorbeifahren und “Donnerwetter“ sagen.“ Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm gab seinen Worten einen überzeugenden Klang, als vor vier Jahren die damalige Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG) den Kaufpreis für das Gewerbeareal neu schrieb und Stahnsdorf somit von einer über 60 Millionen Mark schweren Schuldenlast befreite. Unterm Strich blieben damals 28,5 Millionen Mark an die TLG zu zahlen, wofür Stahnsdorf einen Kredit aufnahm. In zähen Verhandlungen waren zuvor die Bedingungen für diese Nachtragsvereinbarung fixiert worden: Gemeinde, Landkreis und Land erklärten gegenüber der TLG, künftig gemeinsam für die Vermarktung des bis dato brachliegenden Gewerbeparks zu sorgen. Bei seinem gegenwärtigen Besuchsprogramm regionaler Unternehmen war Schönbohm vor wenigen Tagen erneut am Hamburger Ring. Doch für ein anerkenndendes „Donnerwetter“ gibt es noch immer keinen Grund: bis auf wenige Ansiedlungen hat sich nicht viel getan. Sicher ist die allgemeine Wirtschaftsflaute ein Grund für die Tristesse, auch in anderen Gewerbeparks warten die Vermieter händeringend auf Kunden. Doch leidet Stahnsdorf nach wie vor an einem Wettbewerbsnachteil, der schon vor Jahren diagnostiziert wurde. „Es fehlt noch immer die Anbindung ans Landesverkehrsstraßennetz“, beklagt Bürgermeister Gerhard Enser. Denn auf den zugesagten Neubau der L77 – der Lebensader für Stahnsdorf – wartet die Gemeinde seitdem vergeblich. Neben dem Verbot für produzierendes Gewerbe war der fehlende Anschluss des Areals an eine Landesstraße lange ein Grund, warum sich das 1992 von der Gemeinde gekaufte Gebiet nicht vermarkten ließ. Als der Schuldenberg 1999 schwindelerregend hoch war und das insolvente Stahnsdorf unmittelbar vor der Zwangsverwaltung, gelang der Griff an die Notbremse. Pünktlich zum Landtagswahlkampf vor fünf Jahren versprach der damalige Landesvater Manfred Stolpe den Stahnsdorfern zu helfen. Tatsächlich führte er die entscheidenden Gespräche mit der TLG-Spitze, zudem sensibilisierte er kurze Zeit später sein neues Regierungskabinett für die Situation vor den Toren des Landesmetropole. Das Wort von der „konzertierten Aktion“ war nach den erfolgreichen Nachtragsverhandlungen in aller Munde: Stahnsdorf hatte sich vorgenommen, den 28-Millionen-Kredit schnellstens zu tilgen, sparsam zu leben und für seine Einwohner Steuern und Gebühren zu erhöhen. Der Landkreis versprach sein Zutun, was er mit dem Kauf eines Grundstücks in Stahnsdorf für ein neues Busdepot seiner Havelbusgesellschaft getan hat. Das Wirtschaftsministerium ließ produzierendes Gewerbe zu. Und das Verkehrsministerium sagte zu, den südlichen Teil des 50 Hektar großen Areals über die L 77 zu erschließen. Zwar ist die Linie der neu zu bauenden Landesstraße festgelegt. Der Bau aber steht in den Sternen. Allein für den Fortgang der Planung fehlt dem Land das Geld. Zudem wurde im Verkehrsministerium immer darauf verwiesen, dass der Neubau der L 77 eng mit dem vierspurigen Ausbau der L 40 verbunden ist. Erstere würde aus Stahnsdorf kommend auf die L40 führen, die Potsdam und Schönefeld schnell verbinden soll. Doch haben sich vor dieser Magistrale hohe Hürden aufgetan: Im Bereich Güterfelde – der viel zitierten Nordumfahrung - droht dem Vorhaben die Klage mehrerer Anwohner. Durch die Trassenführung über ein sensibles Feuchtbiotop explodieren die Kosten. Und durch den Knoten mit der L 77 wird das Projekt nicht billiger. Enser selbst hat für dieses Junktim zwischen L 40 und L 77 einiges aufgegeben: Lange Zeit war er bei der Umfahrung Güterfeldes Befürworter einer Variante im Süden. Als sich abzeichnete, dass vom Land die Nordumfahrung favorisiert wird, schwenkte er um: Aus „kommunaler Verantwortung“ plädierte er für die Nordvariante, weil ein schneller Ausbau der L 40 frei von Klagen und Protesten gleichzeitig die Erschließung des Gewerbegebietes bedeutete und dies wiederum Vermarktungserlöse für die Gemeinde. Noch heute fühlen sich die Kämpfer gegen die Nordumfahrung von ihrem einstigen Mitstreiter verraten. Bei Enser, der vor vier Jahren als einer der „Architekten des Stahnsdorfer Neuanfangs“ gefeiert und wenige Wochen nach dem Nachtragsabkommen mit der TLG zum Bürgermeister gewählt wurde, ist Ernüchterung eingetreten. Zur Halbzeit seiner Amtsherrschaft sieht er sein großes Ziel, das Gewerbegebiet zu füllen, in weiter Ferne. Dabei geht es weniger um das Prestige eines ehrgeizigen Bürgermeisters, sondern um das Wohl der Kommune. Enser hat in der Vergangenheit häufig unwirsch auf Bemerkungen reagiert, Stahnsdorf habe nach wie vor Schulden. Um zu verdeutlichen, dass die versprochene Straße noch immer lebensnotwendig sei, spricht er inzwischen selbst wieder vom „Schuldenstand“ der Gemeinde. Zwar hat Stahnsdorf durch die bisherige Flächenverkäufe im Gewerbegebiet einige Millionen des aufgenommenen Kredits zurückzahlen können. Doch es bleiben 10,7 Millionen Euro Verbindlichkeiten. Allein an Zinsen zahlt die Gemeinde nunmehr im fünften Jahr 700 000 Euro. „Die Kommune hat im guten Glauben an das Land diese Belastungen auf sich genommen. Auf Dauer ist nicht einzusehen, dass wir unseren Teil der Abmachungen erfüllen, das Land aber nicht,“ so Enser. Für den hartnäckigen CDU-Bürgermeister klingt es beinahe wie eine Resignation, wenn er sagt: „Unter diesen Umständen hätten wir mit der insolventen Kommune auch in die Zwangsverwaltung gehen können.“

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