Von Thomas Lähns: Warten auf den schnellen Draht
Die Hälfte der Michendorfer ist seit Jahren ohne Breitband-Internet / Lösungen gibt es bereits
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Michendorf - Christina Perincioli braucht starke Nerven, wenn sie im Internet surft: langsamer Seitenaufbau, stundenlange Installationen neuer Programme. Sich ein Video anzuschauen ist so gut wie unmöglich, „und beim Online-Banking stürzt die Seite zweimal ab, bevor ich etwas überwiesen habe“, erzählt sie. Wie rund die Hälfte aller Michendorfer verfügt auch sie nicht über einen schnellen Breitband-Internetzugang. Perinciolis Fall ist besonders fatal: Sie ist beruflich auf das Internet angewiesen.
Die Stückenerin erstellt Websites zu sozialen Themen wie zum Beispiel sexueller Gewalt. Für die Opfer ist das Internet oft erste Informationsquelle. Perincioli hält nach Fördermitteln Ausschau oder bietet ihre Arbeit sozialen Trägern an. Wenn sie eine Homepage in ihrem Stückener Büro fertig hat, fährt sie zu einer Kollegin nach Berlin, um die Seite hochzuladen. „Wir auf den Dörfern werden von der Entwicklung abgehängt“, befürchtet sie. Die meisten Internetseiten sind mit Animationen, großen Bildern, Musik und Videos mittlerweile so vollgepackt, dass man sie über die dünne Telefonleitung kaum abrufen kann.
Das Thema Breitbandzugang ist in Michendorf ein Dauerbrenner. Noch immer sind Gebiete in Wilhelmshorst und Langerwisch sowie die kleinen Ortsteile Stücken und Fresdorf nicht angeschlossen. Seit Jahren verhandelt das Rathaus mit der Telekom über den Anschluss. Wird eine Straße saniert, wie zurzeit die L 77, melden die Michendorfer das der Telekom, damit sie die Kabel verlegen kann. Eine Reaktion sei bislang nie gekommen, so Bürgermeisterin Cornelia Jung. Das Problem: Die Erschließung von Haushalten im ländlichen Raum rechnet sich nicht. „Und einen Grundversorgungsauftrag wie beim Telefon haben wir nicht“, so Telekom-Sprecher Hans-Georg von Wagner auf Anfrage. Wenn der Konzern ein Gebiet erschlossen hat, sieht er sich mit Konkurrenzanbietern und Wettbewerbsregularien konfrontiert. „Wir dürfen einen bestimmten Preis nicht unterschreiten, unsere Mitbewerber schon.“
Von Wagner erklärt, dass die Verlegung von einem Kilometer Fieberglaskabel zwischen 25 000 und 100 000 Euro koste. Sind nicht genug Kunden vorhanden, gehe man entweder einen Joint-Venture-Vertrag mit der Kommune ein – die unterstützt dann die Telekom bei Behördengängen und der Kundenwerbung – oder man fordert eine finanzielle Beteiligung. Im Falle Wilhelmshorst und Langerwisch liegt der Betrag bei 85 000 Euro. „Wir können denen nicht die Erschließung bezahlen“, hält Michendorfs Bürgermeisterin Cornelia Jung (parteilos) der Forderung entgegen.
Die Lage ist schwierig, aber nicht aussichtslos: Die Bundesregierung hat in diesem Jahr zehn Millionen Euro im Rahmen des Förderprogramms „Agrarstruktur und Küstenschutz“ für die Breitbandversorgung des ländlichen Raumes freigegeben. In Brandenburg stünden bis 2010 jährlich 900 000 Euro zur Verfügung, sagt Klaus Richter, zuständiger Referatsleiter beim brandenburgischen Agrarministerium. Die Richtlinie, nach der Erschließungskosten von bis zu 200 000 Euro zu 60 Prozent gefördert werden, ist gestern veröffentlicht worden. Kommunen müssen den Auftrag öffentlich ausschreiben, den Zuschlag erhält nicht zwangsläufig die Telekom sondern der wirtschaftlichste Bieter.
Denn Breitbandversorger ist längst nicht mehr nur die Telekom. Kleinere Unternehmen aus der Region bieten neue und flexible Lösungen an, wie zum Beispiel Funk-DSL. In Wilhelmshorst thront mittlerweile eine Antenne auf dem Schornstein des alten Heizhauses im Eichenweg, versorgt die Oberschule und eine Hand voll Haushalte in der näheren Umgebung. Mehr ist aufgrund des dichten Baumbestandes kaum möglich. Ein weiterer Weg führt über das UMTS-Handy, doch auch hier ist man auf einen guten Empfang angewiesen.
Das Landratsamt hat sich dieses Thema ebenfalls auf die Fahnen geschrieben und Anfang dieses Jahres die Complus AG in Kirchmöser unter Vertrag genommen. Das mittelständische Unternehmen kann über Richtfunk kilometerweit große Datenmengen senden – wenn eine Sichtverbindung besteht. Möglich seien Geschwindigkeiten von bis zu 3 000 Kilobite pro Sekunde, verspricht Complus-Vorstand Holger Matho. Per DSL-Leitung sind zwar bis zu 16 000 möglich, per Telefonleitung allerdings nur 56. Complus will auch Stücken ans Netz bringen, obwohl das Dorf topographisch ungünstig liegt. „Wir werden von Beelitz aus über einige Ecken gehen müssen“, so Matho.
Die Complus AG braucht mindestens 30 Kunden, damit sich der Aufwand rechnet. Einer davon wäre Christina Perincioli. Die gebürtige Schweizerin ist vor fünf Jahren hierher aufs Land gezogen. Seitdem wartet sie sehnsüchtig: Auf den Breitband-Zugang, und bis dahin auf den Aufbau jeder einzelnen Internetseite.
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