zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Was soll’s?

Die Sängerin Anke Lautenbach wird noch in diesem Jahr Bergholz-Rehbrücke verlassen

Stand:

Nuthetal - Anke Lautenbach ist Deutschland. Klare Sache. Da ist die selbst ernannte „überparteiliche und unpolitische Mutmacher-Kampagne“, die bis Ende Januar im Fernsehen und auf Plakaten zu sehen war, unmissverständlich. Zuversicht und Eigeninitiative, Selbstvertrauen und Motivation werden hier verlangt. Anke Lautenbach greift zu Hause in Bergholz-Rehbrücke zum Telefon und ruft die Du-bist-Deutschland-Hotline an. Sie will anpacken und hofft auf Netzwerke, Kontakte und Hilfe für ihre vor wenigen Wochen eröffnete Akademie für Gesang und Entertainment. Am anderen Ende sagt ihr eine junge Frau, sie könne ihr nicht helfen. Sie nehme nur Gespräche entgegen. Hilfe oder Kontakte zu vermitteln, sei nicht ihre Aufgabe.

Wenn Anke Lautenbach diese Geschichte erzählt, schaut sie ihr Gegenüber mit großen Augen an. Immer wieder schüttelt sie ungläubig den Kopf. Da werden Millionen für markige Sprüche wie „Dein Wille ist wie Feuer unterm Hintern“ ausgegeben. Und will einer dieses Feuer richtig zum Brennen bringen, ist schon mit dem ersten Anruf alles vorbei.

Wer Anke Lautenbach nicht kennt, könnte jetzt denken, wie naiv muss man sein, um solch einer Werbekampagne Glauben zu schenken. Doch Anke Lautenbach gehört zu den Menschen, für die ein Glas immer halb voll ist und nicht halb leer. Und wer diese Art von Optimismus als Naivität bezeichnen möchte, dem entgegnet sie: „So what?“.

„So what?“ sagt Anke Lautenbach oft. Was soll’s? Darin fußt die ganze Lautenbachsche Lebensphilosophie. Fast immer kommt es anders, als man denkt. Und deshalb zählt vor allem auch Gelassenheit. Geht es nicht so, dann eben anders. Immer schwingt da die Gewissheit mit, das es auf alle Fälle geht. „Machen, ran, probieren“, wenn es darauf ankommt, verliert Anke Lautenbach auch im Gespräch keine Zeit. Sie wartet nicht, sie sorgt dafür, dass etwas passiert.

„Ich bin alleinstehend, alleinerziehend und selbstständig. Was glauben Sie, wie es da mit meiner Kreditwürdigkeit aussieht?“ Anke Lautenbach hat keine Antwort erwartet. Sie hat sie selbst geliefert. Dass es mit einer eigenen Schule für Gesang und Entertainment nicht einfach werden würde, war der 44-Jährigen klar. Egal, das gehört dazu. Anke Lautenbach hat sich durchgesetzt. Seit Januar unterrichtet sie in ihrer Akademie „Scala“ in Berlin. Sie hat Räume im alten Admiralspalast gemietet, nur ein paar Meter entfernt vom Friedrichstadtpalast, wo das Entertainment zu Hause ist. Anke Lautenbach hat bewusst die Nähe gewählt, denn Entertainment ist auch bei ihr zu Hause.

Jazz und Swing, Schlager und Pop, Musical und Klassik, als Sängerin kann man Anke Lautenbach ein Chamäleon nennen. Aber ein Chamäleon, das nicht ständig die Farbe wechselt, sondern in allen möglichen variiert. Sie hat mit Harald Juhnke, mit Caterina Valente und mit dem blinden Tenor Andrea Bocelli auf der Bühne gestanden. Sie hat 2001 vor einem Boxkampf von Sven Ottke die deutsche und amerikanische Nationalhymne gesungen, hat an mehreren Aufführungen von Händels „Messias“ mitgewirkt. Im November ist ihr aktuelles Pop-Soloalbum „Erzähl mir von dir“ erschienen. In diesem Jahr wird sie wieder bei den Berliner Classic Open Air Show dabei sein. Vielseitigkeit ist für Anke Lautenbach nichts Außergewöhnliches, es ist ganz selbstverständlich. „Ich will mich nicht einordnen lassen.“ Auch so ein Satz, der programmatisch ist für Anke Lautenbach.

Einordnen, das klingt ein wenig nach unterordnen. Und das liegt nun gar nicht in Anke Lautenbachs Naturell. Im Dorf Hessen bei Halberstadt geboren, sorgte sie schon früh für klare Verhältnisse. Ein Vorhang in der elterlichen Wohnung, der zwei Zimmer trennte, mehr brauchte sie für ihre erste Bühne nicht. Märchen, Geschichten, Gedichte und Lieder, was Anke Lautenbach gefiel, brachte sie hier zur Aufführung. Was ihr in den Stücken nicht gefiel, das machte sie passend. Ihr jüngerer Bruder musste mitspielen, in Nebenrollen, die sie für ihn arrangierte. Die Hauptrollen gehörten allein ihr.

Anke Lautenbach lernte Klavier, ihr Bruder Cello. Mit den Eltern wurde zusammen musiziert und ging es in den Sommerferien zum Zelten an die Ostsee, die Kinder auf Federbetten sitzend, auf dem Rücksitz im Trabant, verging die Fahrtzeit schneller beim gemeinsamen Singen.

Erinnerungen beruhigen. Erzählt Anke Lautenbach aus ihrer Kindheit, liegen ihre Hände ruhig auf dem Tisch. Sie zieht versonnen an der Zigarette, die eigentlich nicht erwähnt werden sollte. Eine Sängerin, die raucht? Aber nach kurzem Überlegen sagt Anke Lautenbach nur „So what?“.

Dann ist es vorbei mit der Ruhe. Anke Lautenbach erzählt von ihrem Studium in Leipzig. Zuerst Kultur- und Musikwissenschaften. Durch Zufall kam sie zu einer Amateurtanzband, wie man das damals nannte. Singen konnte sie zuerst nur „Blue Baju“. Doch dass sie Klavier spielte und auch noch nach Noten, beeindruckte ihre zukünftigen Bandkollegen. Sie sang sich dann durch Schlager und platteste Karnevalsjauler. Geschäft ist Geschäft. Eine harte Schule, die ihr fast die Stimme ruinierte. Nach einem dieser Konzert empfahl ihr ein Gast ein Vorsingen an der Leipziger Musikhochschule. Anke Lautenbach wurde angenommen und begann ihr zweites Studium.

Nach ihrem Abschluss hätte alles in den wohlgeordneten, vorhersehbaren Lebensbahnen im Staate DDR verlaufen können. Ein Engagement an einem städtischen Kulturhaus oder einer Musikschule. Doch Anke Lautenbachs Abschlussjahr war auch das Wende - beziehungsweise Endejahr der DDR: 1989.

Anke Lautenbach begriff den Wechsel als Chance, bis heute. Sie hat sich durchgeschlagen mit ihrer Liebe zur Musik ohne die sie es, „keinen einzigen Tag aushalten“ würde. Es war nicht immer leicht. So what? Jetzt, mit ihrer Schule in Berlin, will sie zeigen, dass Gesang nicht nur Stimme ist. „Singen fordert den ganzen Körper.“ Denn als Sänger ist man immer auch Schauspieler. Entertainment heißt das Zauberwort. Was mit Anke Lautenbach übersetzt heißt: Achtung vor der Kunst und dem Publikum und mit Leib und Seele bei der Sache sein.

Mit Leib und Seele will sich Anke Lautenbach jetzt ihrer Akademie für Gesang und Entertainment widmen. Was auch bedeutet, dass sie noch in diesem Jahr von Bergholz-Rehbrücke nach Berlin ziehen wird. Wegen ihrer kleinen Tochter war sie 1990 nach Bergholz-Rehbrücke gekommen, der Ruhe und Sicherheit wegen. Die Tochter wird jetzt 17 Jahre alt. Da hat eine Großstadt wie Berlin mehr Reize als das Ländliche in Rehbrücke. Und für Anke Lautenbach werden dann die Wege zur Arbeit kürzer. Ganz so leicht scheint ihr der Abschied aber nicht zu fallen. Aber, was soll’s.

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })