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Potsdam-Mittelmark: Wenn Betroffene zu sehr fragen

Die Grüne Thea Dückert machte in Teltow Hartz IV anschaulich – manchmal mehr, als ihr lieb war

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Die Grüne Thea Dückert machte in Teltow Hartz IV anschaulich – manchmal mehr, als ihr lieb war Teltow - Es waren die scheinbar einfachen Fragen, die am schwersten zu beantworten waren. Thea Dückert, Arbeitsexpertin der grünen Bundestagsfraktion, war am Donnerstagabend nach Teltow gekommen, um gegen die Wut über Hartz IV anzureden, Missverständnisse auszuräumen und Fragen zu beantworten. Meist gelang ihr das auch. Die meisten Frager kamen selbst aus dem Umfeld der Bündnisgrünen und verwickelten Dückert in Diskussionen über Verteilungsgerechtigkeit und Strukturprobleme wie der Friedensaktivist Walter Romberg. Einige Betroffene erwischten die Arbeitsmarktexpertin auf dem falschen Fuß. Die 2,5 bis 3 Milliarden, die der Bund durch das Gesetz spart, würden den Kommunen zugute kommen: um etwa Bibliotheken, Schwimmbäder, Kitas weiter betreiben zu können, hatte Dückert den rund 15 Zuhörern erläutert. Worauf ein Betroffener wissen wollte, wie er sich von 330 Euro im Monat leisten soll, ins Schwimmbad zu gehen. Dückerts Antwort: „Es ist auf jeden Fall besser, als gar kein Schwimmbad zu haben.“ Den Abend organisiert hatte der Teltower Grüne Eberhard Adenstedt. Zwar ist vom Ärger über das Gesetz bisher kaum etwas am kleinen Koalitionspartner hängen geblieben. Trotzdem wollte Adenstedt Verständnislücken füllen – auch bei sich selbst. Er gab Thea Dückert zunächst Gelegenheit, die Sicht der Regierung zu erklären. Sie stellte zunächst klar, dass zur Schaffung von Arbeitsplätzen vor allem die Agenda 2010 gemacht worden sei, mit dem Solidarpakt II für den Osten, Änderungen im Kündigungsschutz oder der Handwerksordnung. Bei Hartz IV gehe es dagegen vor allem um „Verteilungsgerechtigkeit“. Anders als viele glaubten, sei die Arbeitslosenhilfe genau wie die Sozialhilfe über Steuern finanziert, nicht über Beiträge. Die Sozialhilfeempfänger hätten aber bisher den Nachteil, dass sie nicht in die Vermittlung durch das Arbeitsamt einbezogen seien. Das ändere sich jetzt. Sie würden außerdem in Zukunft finanziell besser gestellt und müssten nicht jede Ausgabe vor der Behörde rechtfertigen. Dückerts Fazit: „Es stimmt also nicht, dass Hartz IV auf Kosten der Schwächsten geht,wie immer wieder gesagt wird.“ Unter den Arbeitslosenhilfeempfängern würden die mit Kindern ebenfalls profitieren. Weniger bekämen dagegen eher die Alleinlebenden. Was sie als Grüne daran stört, ist dass Frauen in Familien damit ein Stück Unabhängigkeit verlieren werden. Richtig sei aber der Grundsatz: Die Leistung orientiere sich jetzt am Bedarf, nicht mehr am früheren Gehalt. Und zur Vermittlung: Dafür würden die Job-Center vor Ort eingerichtet. In der Agentur für Arbeit seien zurzeit viel zu wenige Menschen mit der tatsächlichen Betreuung beschäftigt. Das werde sich ändern. Thea Dückert lotete noch manches Detail aus, schimpfte gegen die Union, die bessere Zuverdienstmöglichkeiten verhindert habe und gab dann dem Publikum das Wort. Der Unternehmer Wolfgang Köhn interessierte sich besonders für die 1-Euro-Jobs. Was er erfuhr: Sie sollen befristet sein, Qualifizierung beinhalten und keine Arbeitsplätze gefährden. Das Arbeitslosengeld II werde weiter gezahlt, man könne so auf 800 bis 1000 Euro im Monat kommen. Ob Köhn Leute auf dieser Basis wird einstellen können, muss er ab dem 1. Januar mit seinem zuständigen Job-Center klären. Am Rande sagte er: „In der Startphase kann ich es mir nicht leisten, regulär einzustellen.“ Am Ende erzählte Antje Scharf ihre Geschichte: 16 Jahre lang hat sie Steuern gezahlt wie ein Single, ihr Lebensgefährte auch. Ab dem 1. Januar wird dessen Gehalt dann auf ihr Arbeitslosengeld angerechnet. Ihre Krankenversicherung wird er auch zahlen müssen. Antje Scharf findet das ungerecht. Thea Dückert: „Das stimmt.“ Im Steuerrecht gebe es noch erhebliche Defizite. Volker Eckert

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