Von Thomas Lähns: Wenn Denkmalpfleger Hand anlegen
Helene Kleine, einst Rektorin der Potsdamer Fachhochschule, saniert das Schäferhaus in Langerwisch
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Michendorf – Die Kommentare am Gartenzaun sind immer die gleichen: „Na, da haben sie sich ja was vorgenommen!“ In solchen Momenten blickt Helene Kleine lächelnd herüber, klopft sich den Staub von der Jacke und zuckt mit den Schultern. Aus der Ferne können die Passanten nicht einmal ansatzweise ermessen, wie viel Arbeit hier wirklich wartet. Die ehemalige Rektorin der Fachhochschule Potsdam hat Anfang des Jahres das Schäferhaus in Langerwisch gekauft und ist nun dabei, es zu sanieren. Das Rohr gedeckte Gebäude stammt aus dem 18. Jahrhundert und ist damit eines der ältesten im Ort. Nach Jahrzehnten des Leerstands ist es aber auch eines der verfallendsten.
Das Haus ist bereits zur Hälfte eingerüstet und mit Balken und Spanngurten stabilisiert. Ein Stück Außenwand wurde rausgenommen, hier ruht das Fachwerk schon auf neuem Sockel. Der Keller liegt offen, soll trocknen. Das Dach wird im Frühjahr neu gedeckt – wieder mit Schilfrohr. „Es ist ein Spagat zwischen den statischen Anforderungen und dem Ehrhalt des Denkmals“, sagt Wolfgang Bernhardt. Er ist Experte, hat bis vor drei Jahren in der Unteren Denkmalbehörde des Kreises gearbeitet. Immerhin: Fachwerk, Dachstuhl und die Innenwände können gerettet werden, erläutert er, während er mit einer Schubkarre Schutt abfährt. Bernhardt war es auch, der seine Lebenspartnerin zum Kauf des Schäferhauses überredet hat. „Man kann nicht nur über Denkmalpflege reden, man muss auch etwas dafür tun“, war sein Argument.
Beide haben mit diesem Projekt ihren Beruf zum Hobby gemacht. Helene Kleine hat in Potsdam den Lehrstuhl für Stadtsoziologie und -denkmalpflege im Bereich Kulturarbeit inne. „Aber man lernt am besten dort, wo man unmittelbar beteiligt ist“, weiß sie. Es sind viele glückliche Umstände, die die Rettung des Schäferhauses möglich machen: Neben der Kompetenz der beiden Bauleiter gehört dazu auch finanzielle Unterstützung seitens der Deutschen Stiftung Denkmalpflege. Auch die Gemeinde Michendorf hat geholfen: Circa 6000 Euro wurden aus dem Städtebaufonds freigemacht.
Als Sanierungsgebiet konnten große Teile Langerwischs seit der Wende erneuert werden, doch nur in den wenigsten Dörfern gibt es solche Möglichkeiten. Mit Sorge sieht Helene Kleine historische Gemäuer in der Peripherie verfallen. „Es müssen Anreize geschaffen werden, damit die Menschen aufs Land ziehen oder dort bleiben und die Häuser und Höfe erhalten“, sagt sie und meint nicht nur finanzielle, sondern auch fachliche Förderung sowie soziale Voraussetzungen wie Jobs.
Dass ihr Bauantrag genehmigt wurde, hatte für die Professorin mit Glück zu tun. Denn wegen des Brandschutzes muss bei einem mit Rohr gedeckten Haus ein Mindestabstand von zehn Metern zu jeder anderen Bebauung eingehalten werden. Ihr Grundstück ist an einer Seite nur gut neun Meter breit, wodurch ein Baulast-Eintrag ins Grundbuch der angrenzenden Fläche notwendig wurde. Nicht jeder Nachbar hätte da zugestimmt, aber eine Freundin hat die angrenzende Parzelle gekauft, möchte hier auch bauen.
Ein Rundgang durchs Schäferhaus wird zur Zeitreise: Auf dem Dachboden sieht man noch die Lehmwickel, aus denen einst alle Wände bestanden. Neben der Treppe liegen ein Fünf-Jahres-Plan und andere Dokumente aus DDR-Zeiten. Eine Gardine im Fenster ist wohl noch älter und stammt aus der Zeit, in denen das Schäfer- ein Wochenendhaus war. Als solches hatte es die Berliner Familie Ullrich vor dem Zweiten Weltkrieg genutzt. 1945 wurde es für sie zur Hauptwohnung, bevor sie in die BRD flüchteten und das Haus an die Gemeinde fiel. Im Erdgeschoss kann man die frühere Eingangstür des hiesigen Gutshauses bestaunen, die jetzt den Nebeneingang ziert und noch aufgearbeitet wird. Andere Hinterlassenschaften wurden bereits beräumt: Unter den Dielen fand sich jede Menge Mist an. Das Schäferhaus wurde demnach auch zur Viehhaltung genutzt. Einst gehörte es zum Caputher Vorwerk.
Stolz bleibt Helene Kleine vor dem Herz des Hauses stehen, der „schwarzen Küche“. Hier wurde früher über offenem Feuer gekocht. Durch den breiten Schornstein blickt man direkt in den Himmel. Die gemauerte Glocke reicht bis ins Obergeschoss und ist vom Ruß der Jahrhunderte schwarz gefärbt. Die Schicht soll konserviert und erhalten werden, gekocht wird hier künftig aber nicht mehr. Stattdessen sollen Bücherregale aufgestellt werden.
Die Hausherrin möchte in einem Jahr fertig sein. Das Schäferhaus soll dann öffentlich eingeweiht werden. Die Kommentare der Besucher kann sich Helene Kleine auch schon lebhaft vorstellen: „Ist das schön geworden“, oder: „So etwas hätte ich auch gern.“ Und dann kann sie genau berichten, wie viel Arbeit tatsächlich dahinter steckt.
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