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Von Tobias Reichelt: Wenn der Flughafen zum Gesundheitsrisiko wird
Professor Eberhard Greiser warnt vor Herz- und Kreislauferkrankungen und steigenden Gesundheitskosten nach Eröffnung des BBI
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Region Teltow - Die mögliche Zunahme des Fluglärms über der Region könnte schlimmere Folgen haben als bislang erwartet. In Teltow warnte gestern der Fluglärmspezialist Eberhard Greiser vor einem Anstieg der Herz-Kreislauferkrankungen infolge der größeren Fluglärmbelastung nach der Eröffnung des Großflughafens in Schönefeld. Infolge der zusätzlichen Überflüge könnten Krankenzahlen und damit Gesundheitskosten in die Höhe schnellen. Gemeinsam mit der Bürgerinitiative „Teltow gegen Fluglärm“ will sich der Bremer Professor deshalb bei den Landesregierungen Berlins und Brandenburgs für ein Gesundheitsmonitoring im Umfeld des Flughafens einsetzen. Ziel ist ein strengeres Nachtflugverbot.
„Mit der Kontrollstudie erreichen wir eine andere Qualität der Diskussion“, erklärte Greiser gestern in Teltow. „Wir können die Todesfälle zählen, die auf den Fluglärm zurückzuführen sind.“ Nach einer vorläufigen Schätzung könnte der Lärm für jährlich mindestens 165 zusätzliche Herz- und Kreislauferkrankungen im Umfeld des Flughafens verantwortlich sein. Greiser warnte zudem vor steigenden Gesundheitskosten. Er rechnet mit etwa 1,5 Millionen Euro nach dem ersten Jahr der Flughafeneröffnung. Nach zehn Jahren könnten sich die Kosten auf 86 Millionen Euro summieren.
In zwei Studien konnte Greiser bereits einen Zusammenhang zwischen Fluglärm, gestiegener Medikamentenverordnung und Herz-Kreislauferkrankungen nachweisen. In der Region um den Flughafen Köln-Bonn untersuchte der Professor die Daten von einer Million Krankenversicherten. Er glich die an ihren Häusern gemessene Lärmbelastung mit Krankheitserscheinungen und Medikamentenverordnungen ab. Bezahlt wurde die Studie zum Teil vom Umweltbundesamt.
Das Ergebnis war eindeutig: Mit dem Lärm stieg das Erkrankungsrisiko steil an, sagte Greiser. Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Herzschwäche traten auf, blutdrucksenkende Mittel wurden häufiger verschrieben. Frauen und junge Menschen seien sogar stärker betroffen. Der einfache Grund: Sie hören besser. Menschen, deren Wohnungen schallgeschützt waren, erkrankten seltener.
„Jeder Lärm führt zur Ausschüttung von Stresshormonen“, erklärte Greiser. Zwar könne man die Ergebnisse aus Köln-Bonn nicht nahtlos auf andere Flughäfen übertragen, die logische Konsequenz sei aber, die nächtlichen Lärmbelastungen zu reduzieren. Greiser appellierte für eine Ausweitung des Nachtflugverbots. Statt von 0 bis 5 Uhr sollen die Jets von 22 bis 6 Uhr am Boden bleiben.
Am 7. April will Greiser im Brandenburger Landtag für das Gesundheitsmonitoring werben. Etwa 1,5 Millionen Euro würde die Studie kosten. „Bislang haben die Länder wenig Interesse gezeigt, eine solche Studie in Gang zu setzen“, sagte Greiser. Das könnte sich ändern.
Im brandenburgischen Umweltministerium zeigte man sich gestern offen: „Die Grundsatzentscheidung für ein Gesundheitsmonitoring ist getroffen“, sagte Ministeriumssprecher Achim Wersin. Man wolle auf Greisers Erfahrung zurückgreifen – wann und inwieweit, sei noch unklar.
Andreas Hess von der Teltower Bürgerinitiative wünscht sich schnell Klarheit: „Die wahren Kosten des Flughafens müssen auf den Tisch.“ Danach müsse die Gesellschaft zwischen Gesundheit oder Nachtflügen entscheiden, so Hess. „Wir brauchen die Studie, um offen diskutieren zu können.“
Rund um den Flughafen Köln-Bonn wartet man indes auf eine offene Diskussion, sagte Greiser. Nach der Veröffentlichung seiner Studie Anfang 2010 hätten sich die Flughafenbetreiber „bockig“ gezeigt: Flugrouten wurden nicht geändert, auch zusätzlichen Schallschutz gab es nicht.
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