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Von Thomas Lähns: Wenn die Heide blüht

Früher ritten die Defa-Indianer durch die Saarmunder Berge. Heute ist das Areal FFH-Schutzgebiet

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Nuthetal - Wanderern bietet sich dieser Tage eine einzigartige Kulisse bei Saarmund: Sanft wiegt gelbes Gras im Wind, summen dicke Hummeln im Heidekraut. Heuschrecken kitzeln an den Beinen, während man durch die bunten Wiesen in Richtung Berge läuft. Es ist ruhiger geworden, seit die „Söhne der Großen Bärin“ von hier fortgezogen sind und der weiße Mann den intensiven Landbau in der Region aufgegeben hat. Denn wo in den 1960er Jahren die Defa ihre Indianerfilme drehte und bis zur Wende die LPG Ackerbau mit riesigen Maschinen betrieb, befindet sich heute ein FFH-Schutzgebiet. Zwar hat der Mensch diese einmalige Landschaft entstehen lassen, doch ist er ständig im Begriff, sie zu schädigen.

Kopfschüttelnd steht Norbert Thäle vor der Infotafel an einem der Zugänge zum Areal: Jemand hat seinen Hausmüll direkt am Fuß des Schildes angehäuft. Leider passiere so etwas immer wieder, sagt der Naturpark-Ranger. Der Haufen an dieser Stelle sieht aber nach einer Botschaft aus – vielleicht von einem Hundehalter, der seinen Vierbeiner beim letzten Besuch anleinen musste. Denn Hunde sind das zweite Problem in den Saarmunder Bergen: Freilaufend scheuchen sie Wild und Vögel auf und verunreinigen mit ihren Hinterlassenschaften den Boden. „Dabei wird der Mensch hier überhaupt nicht ausgeschlossen“, sagt Thäle, der als Mitarbeiter der Naturwacht für den nördlichen Naturpark Nuthe-Nieplitz zuständig ist. Im Gegenteil: Das Gebiet solle zur Erholung erhalten werden – und für die anderen vielfältigen Nutzungsformen.

Im westlichen Bereich befindet sich der Saarmunder Flugplatz. Hier hob bereits in den 20er Jahren der erste Segelflieger ab. Surrend startet gerade eine Propeller-Maschine von der Wiese aus in den grauen Morgenhimmel. Das gleiche Bild sieht man auf der anderen Seite, am Fuße der Berge – nur dass die Flugzeuge hier vielkleiner sind. Der Verein NLV-Modellflug hat die Flächen gepachtet. Am Hang des Eichberges wiederum liegt die Motocross-Strecke der örtlichen Jugend und inmitten in der eigentlichen Gras- und Heidelandschaft hat ein Imker seine Bienenvölker aufgestellt. Auch die Landwirtschaft profitiert von diesem Fleckchen Erde: Die Agro Saarmund bewirtschaftet Stilllegungsflächen, für die es Fördermittel gibt, und der Langerwischer Hof der Familie Bildt lässt hier hin und wieder seine Schafe weiden. Die wolligen Vierbeiner sind die eine Möglichkeit, die Landschaft im jetzigen Zustand zu erhalten, das Flämmen ist eine weitere. Mehrmals schon war die Saarmunder Feuerwehr im Einsatz, um begrenzte Bereiche abzubrennen. Denn überlässt man das Areal gänzlich der Natur, würde es in nur wenigen Jahrzehnten mit Büschen und Bäumen zuwachsen, erläutert Thäle. Es kommt nicht von ungefähr, dass ausgerechnet auf einstigen Truppenübungsplätzen heute satte Heidelandschaften gedeihen. Dort waren immer wieder Feuer durch heiße Munition ausgebrochen und haben das Gelände verjüngt. Auch an den Saarmunder Bergen war die NVA aktiv, allerdings mit Schießübungen. Hier wurde die Allradvariante des W 50 getestet.

Viele Geschichten ranken sich um die Saarmunder Berge. Regelmäßig waren zu DDR-Zeiten die Filmemacher aus Babelsberg angereist, weil die Landschaft so sehr an die amerikanische Prärie erinnerte, und dabei doch gleich vor der Haustür lag. Nur wer sich auskannte, konnte auf der Leinwand erkennen, dass Gojko Mitic nicht durch Wyoming, sondern durch die Saarmunder Berge ritt. „Die Bauern wurden als Statisten engagiert oder vermieteten ihre Pferde“, weiß Norbert Thäle. Es wurde viel im Potsdamer Umland gedreht, auch in seinem Heimatort Zauchwitz: Dort entstand der legendäre Film „Karbid und Sauerampfer“.

Mensch und Natur haben in den Saarmunder Bergen heute zu einem ungewohnten Gleichgewicht gefunden – sieht man von den unbelehrbaren Verschmutzern einmal ab. Obwohl die Autobahn direkt nebenan verläuft und die Flugzeuge regelmäßig aufsurren, hat sich eine einzigartige Flora entwickelt, berichtet Thäle. „Viele Arten, die hier wachsen, stehen eigentlich auf der roten Liste“, sagt er. Deren Standorte hält er aber geheim – nicht dass sie von skrupellosen Pflanzenhändlern ausgegraben werden und dann im Internet landen. Artenreich ist auch die hiesige Tierwelt: Turmfalke und Schleiereule sind oben unterwegs, während es unten zwischen Moosen und Büschen kreucht und fleucht. Man muss nur genau hinsehen, und schon erkennt man den Korso Roter Waldarmeisen, der unterwegs zum Nest ist, oder die Erdwespe, die aus einem Loch im dürren Sand herauskrabbelt. Auf der Jagd nach fetten Käfern flattert sogar eine Bachstelze hin und her. Und dann ist da doch wieder der Mensch: Auf einem Quad fährt ein älteres Ehepaar vorbei. Für Ranger Norbert Thäle kein Problem – so lange die beiden auf den Wegen bleiben.

Die Naturwacht bietet am Samstag, 21. August, eine Führung durch die Saarmunder Berge an. Treffpunkt ist um 13.30 Uhr die Flugplatz-Zufahrt an der Straße von Saarmund nach Tremsdorf.

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