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Potsdam-Mittelmark: Wenn Helfer Hilfe brauchen

Die Tee- und Wärmestube arbeitet seit einem Jahr mit halber Kraft / Unterstützung von den Glindowern

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Werder · Glindow - Essenausgabe, Beratungsgespräche, Hausbesuche und jede Menge tröstende Worte: Die Arbeit der Tee- und Wärmestube verlief in diesem Jahr am Rande des Möglichen. Nachdem der Landkreis knapp die Hälfte seiner Zuschüsse von bis dahin 85 000 Euro für das Projekt gestrichen hatte, musste einer der beiden Sozialarbeiter seinen Hut nehmen (PNN berichteten). Dennoch überlebte die Einrichtung des Diakonischen Werkes Potsdam : mit halber Kraft bei gleich bleibender Nachfrage. Möglich wurde dies durch ehrenamtliche Helfer und durch die Unterstützung der Glindower. Nachbarn, örtliche Unternehmer und der Ortsbeirat sicherten das Weiterbestehen.

Gestern feierte die Tee- und Wärmestube ihr fünfjähriges Bestehen. Zum Jubiläum gab es rührende Danksagungen – und die besten Wünsche für die Zukunft. Doch die ist unsicher. Während in der Kreisverwaltung zurzeit nach einem neuen Domizil mit größeren Räumen gesucht wird, bat Werders Pfarrer Immo Riebicke darum, doch erst einmal die Arbeit für das kommende Jahr finanziell zu sichern. „Dann können wir über ein neues Gebäude reden.“ Immerhin: Ab Dezember sollen zwei weitere Ein-Euro-Jobber hier anfangen. Völlig ersetzen lasse sich ein zweiter Sozialarbeiter dadurch aber nicht, so die Leiterin der Einrichtung Martina Müller.

Etwa hundert Menschen aus Werder und dem Umland befinden sich in dauernder Betreuung. Hans-Michael Sander, der nach seiner Entlassung nun als Ein-Euro-Jobber hier weiter arbeitet, bilanzierte: 4128 Mal wurde die Einrichtung in diesem Jahr aufgesucht. Gut ein Viertel der Klienten lasse sich in Sachen Hartz IV beraten. Deshalb hatte man sich auch an die Mittelmärkische Agentur zur Integration in Arbeit (Maia) mit der Bitte um Zuschüsse gewandt – erfolglos, ebenso wie bei der Stadt. So musste das Diakonische Werk Potsdam in diesem Jahr 12 000 Euro beisteuern, sagte dessen Geschäftsführer Marcel Kankarowitsch.

Mittlerweile ist zumindest die Versorgung mit Nahrungsmitteln in sicheren Händen: Örtliche Unternehmer wie die Bäckerei Gartenschläger, die Fleischerei Joppe, die beiden Supermärkte Edeka und Rewe sowie die Potsdamer Tafel liefern regelmäßig. Der Glindower Ortsbeirat stellte zudem eine Garage in unmittelbarer Nachbarschaft für die Essensausgabe zur Verfügung. „Allein für die Sponsorenarbeit müsste ich mir viel mehr Zeit nehmen“, so Martina Müller.

Diakonie-Geschäftsführer Kankarowitsch lobte die Atmosphäre im Ort. „Die Einrichtung wird von den Nachbarn nicht als störend empfunden.“ Pfarrer Riebicke erinnerte daran, wie man vor fünf Jahren in Werder nach einem Gebäude gesucht hatte: „Viele Nachbarn dort hatten das abgelehnt.“ So sei man nach Glindow gelangt, aufs Dorf – ein „Experiment“, das jedoch funktioniere, so Kankarowitsch. Statt Vorurteile gebe es Gespräche am Gartenzaun und aktive Unterstützung. Ortsbürgermeister Sigmar Wilhelm unterstrich diese Haltung: „Die Tee- und Wärmestube ist ein integrierter Bestandteil unseres Ortes.“

Erwähnung fand auch die aktuelle Debatte um eine neue „Unterschicht“: Dass über das Problem geredet werde, wurde zwar allgemein begrüßt, die Form in der dies geschieht, allerdings beklagt. „Das Wort ist wie ein Kropf, den man nicht braucht", sagte Kankarowitsch. Wenn 20 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung dazugehören, wären dies in Werder immerhin 5000 Menschen, so Sozialarbeiter Sander. Thomas Lähns

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