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Potsdam-Mittelmark: Wenn Willi nochmal Opa wird
Beelitz startet „Großelterndienst“ und bringt junge Familien und Senioren in Kontakt miteinander
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Beelitz – An Frieda und Willi denkt Bernhard Knuth noch heute gern zurück. Die beiden älteren Herrschaften waren Nachbarn seiner Familie, damals in Greifswald, als der Bürgermeister von Beelitz noch ein kleiner Junge war. „Ohne die beiden ging bei uns gar nichts“, schwelgt er in Erinnerungen. Frieda half seiner Mutter, die Kinder zu baden, Willi nahm ihn als Vorsitzender des Kulturvereins mit zu Theaterbesuchen – was Knuth bis heute geprägt hat. Seine leiblichen Großeltern waren früh gestorben, ein Opa hatte im Westen gelebt. Persönlich hat er sie nie kennengelernt.
Es ist eine traurige, aber auch rührende Anekdote, mit welcher der Bürgermeister erklärt, wie der neue „Großelterndienst“ für Beelitz zustande gekommen ist. Kürzlich trafen sich Verwaltung, Seniorenbeirat, Kitas, Schulen und Eltern in großer Runde zum Gedankenaustausch. Die Grundidee dieses Demografie-Projektes: Über eine ehrenamtliche Vermittlerin werden junge Familien und ältere Menschen in der Stadt in Kontakt miteinander gebracht, damit die sich gegenseitig unter die Arme greifen können. Während die Älteren den Kindern etwas vorlesen, mit ihnen backen oder handwerken und damit deren Eltern entlasten, könnten die wiederum kleine Einkäufe für die Paten-Großeltern erledigen, ihnen bei Behördenpost helfen oder sie einfach am Familienleben teilhaben lassen. Das würde zum Beispiel helfen, nach dem Verlust des Partners die Lebensfreude wiederzuentdecken.
Es läuft nach dem Prinzip einer Tauschbörse, „ohne dass die Leistungen gegeneinander aufgerechnet werden“, unterstreicht Ingrid Linke vom Seniorenbeirat. Sie ist für die Vermittlung zuständig. Die Hilfe sollte von Herzen kommen, sagt sie. „Vor 50 Jahren lebten noch mehrere Generationen unter einem Dach, heute gibt es das kaum noch – aber wir Senioren wollen nicht die Hände in den Schoß legen.“
„Unsere Gesellschaft individualisiert sich immer stärker“, befindet auch Bürgermeister Knuth. Und so würden in Beelitz Familien mit Kindern leben, deren Großeltern bereits verstorben sind oder weit weg wohnen. Fichtenwalde zum Beispiel besteht zur Hälfte aus Zugezogenen, in der dortigen Kita gebe es deshalb nicht mal einen Großelterntag, wie er in anderen Kitas üblich ist. Die Senioren in Beelitz seien bereit, diese Familien zu unterstützen, bemerkt Johanna Ranneberg, Vorsitzende des Seniorenbeirates, und setzt hinzu: „Man muss uns nur fragen.“
Das hat auch Verwaltungsmitarbeiterin Dörthe Kiesel erfahren: Ihr sechsjähriger Sohn habe sich selbst seinen Wunsch-Opa adoptiert. Ein älterer Herr aus der Nachbarschaft nimmt sich regelmäßig des Jungen an und bastelt mit ihm. „Er fühlt sich pudelwohl“, sagt Kiesel über ihren Filius.
Dabei gebe noch viele weitere Möglichkeiten, um Kontakte zwischen Alt und Jung zu vertiefen, wie es seitens der Verantwortlichen heißt: Ältere Menschen könnten in Kitas und Schulen Bücher vorlesen, aus ihrem Leben erzählen, Kindergartengruppen beim Spaziergang begleiten und ihnen die Augen für die Natur öffnen. Das jüngste Treffen hatte so viele mögliche Aufgaben zutage gefördert, dass die Senioren in der Stadt gar nicht ausreichen würden, um sich all dem anzunehmen, wie Knuth bemerkte.
Der „Großelterndienst“ ist ein weiterer Baustein in der Strategie der Verwaltung, Beelitz zur kinder- und familienfreundlichen Kommune auszubauen. Während Kitas, Spielplätze und Schulen saniert werden, hat das Rathaus regelmäßig neue Ideen für soziale Projekte wie den Baby-Willkommensdienst oder der Anpflanzung von Patenbäumen für Neugeborene. Das Prädikat der „Kinder- und Familienkommune“ ist der Stadt bereits 2011 vom Land verliehen worden – und mittlerweile ist Beelitz eine echte Auszeichnung für diesen Titel.
Kontakt unter Tel. (033204) 60 49 60.
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