
© S. Schuster
Engagement in Kleinmachnow: Wenn zwei sich streiten
Seit 20 Jahren hilft Gisela Stahn in Kleinmachnow bei entführten Katzen und verletztem Luftraum
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Kleinmachnow - Zu hohe Hecken, über den Zaun ragende Zweige, Sprenkel vom Rasenmäher - wenn Nachbarn in Streit geraten und nicht mehr zueinanderfinden, dann ist sie gefragt: Gisela Stahn. Seit 20 Jahren leitet die Kleinmachnowerin die Schiedsstelle im Ort. Kürzlich wurde sie für ihr ehrenamtliches Engagement mit einem Eintrag ins Goldene Buch der Gemeinde geehrt. Gerechnet hat die 57-Jährige damit nicht. „Ich war verblüfft“, gesteht sie. „Als erste ehrenamtlich Tätige, das ist eine besondere Ehre.“
Die Geschichten, die die Schiedsfrau in den zwei Jahrzehnten ihrer Tätigkeit hörte und erlebte, bieten Stoff für ein eigenes Buch. 150mal stand die ehemalige Berufsschul-Lehrmeisterin den Kleinmachnowern in Streitfragen zur Seite. „Die Akten liegen alle noch auf dem Dachboden“, sagt sie. An die meisten Fälle erinnert sich Gisela Stahn mit einem Lächeln. Wie etwa an die Geschichte der entführten Katze, die sie gern erzählt. Das Tier hatte sich aus dem heimischen Garten über die geöffnete Terrassentür ins Haus des Nachbarn geschlichen. Der Eigentümer löste eine Fahndung aus. Als er seine Katze am Fenster des Nachbarn entdeckte, reagierte er empört. Der Nachbar habe die Katze entführt und eingesperrt, klagte er.
In solchen Fällen ist es Aufgabe der Schlichterin, die Gemüter zu besänftigen und zwischen den Parteien zu vermitteln. Oft gelingt es, manchmal hilft aber nur der Gang vors Gericht. Optimal ist das nicht, sagt Gisela Stahn, weil es vor dem Richter immer einen Gewinner, aber eben auch einen Verlierer gibt. Als Schlichterin könne sie zwar niemanden rechtlich beraten oder bestrafen, aber sie sei dazu da, die Gerichte zu entlasten.
Vor nunmehr zwei Jahrzehnten hat die Kleinmachnowerin aus einem Interesse eine Tugend und schließlich einen Job gemacht. Zehn Jahre agierte sie als Jugendschöffin, dann wurde jemand für die Schiedsstelle in Kleinmachnow gesucht. Die SPD habe sie angesprochen. Die Delikte haben sich über die Zeit Stahn zufolge kaum verändert, junge Leute kämen häufig aus Sorge um ihre Kinder, ältere streiten manchmal um des Streits willen, manchmal aus Neid oder persönlichem Frust.
Zumeist sind es Kleinigkeiten, die die Nachbarn auf die Palme bringen, weiß Stahn. Dann schaukelt sich der Streit schnell hoch und gipfelt in Beleidigungen und Beschimpfungen. Dennoch streiten die Kleinmachnower nicht mehr oder weniger als andere, sagt Stahn. Mal gebe es Jahre, da hätte sie mehrmals im Monat einen Fall zu klären, mal über längere Zeit gar nicht.
Einmal habe sich ein Kleinmachnower darüber beschwert, dass sein über ihm wohnender Mieter absichtlich Blütenblätter auf seine Terrasse streue, ein anderes Mal fühlte sich ein Bewohner durch das Gras des Nachbarn belästigt, welches offenbar beim Mähen am Fangkorb vorbeispritzte. Gerade im Sommer, wenn Hecken, Bäume und Sträucher in voller Blüte stehen, ist das Streitpotenzial hoch. „Die Grundstücke werden immer kleiner, die Leute fühlen sich eingeengt“, weiß Stahn. Vieles kann sie bereits in wenigen Minuten klären. „Tür- und Angelgeschäfte“, nennt sie das. Einige rufen an und bitten um Rat. Andere kommen zu ihr in die Sprechstunde, die sie einmal im Monat abhält. Angefangen hat die gebürtige Kleinmachnowerin in den Kammerspielen, schrieb damals noch auf Blaupapier, erinnert sie sich. Heute ist das Büro der Schiedsstelle modern ausgestattet im Rathaus am Adolf-Grimme-Ring. Die Gemeinde sei sachlich zuständig, alle fünf Jahre werde die Schiedsperson von den Gemeindevertretern neu gewählt, unterstreicht Stahn. Unterstellt sei sie jedoch dem Amtsgericht.
Etwa zehn bis 20 Anfragen, die nicht aktenkundig werden, erreichen sie im Jahr. Richtig aufwendig sind nur die wenigsten. Stahn erinnert sich in dem Zusammenhang an die kurios anmutende Beschwerde eines Kleinmachnowers über seinen schon etwas betagten Nachbarn. Dem Mann war es nicht immer gelungen, genau mittig in seiner Parktasche zu parken. Mit der geöffneten Autotür habe er dann „den Luftraum des Nachbarn verletzt“, gab dieser an. Stahn ist auferlegt, neutral zu bleiben, auch abweisen darf sie Anfragen nicht. Liegt der Fall jedoch klar, versuche sie dennoch, dem mutmaßlichen Streithahn auf die Sprünge zu helfen. „Wirklich unparteiisch kann kein Mensch sein“, sagt sie.
In zwei Jahren wird in Kleinmachnow die Schiedsfrau neu gewählt. Gisela Stahn lässt keinen Zweifel daran, dass sie auch dann noch zur Verfügung steht. „So lange ich kann und Spaß dran habe, will ich weitermachen.“Solveig Schuster
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