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Potsdam-Mittelmark: Wenn“s zittert, ist es Espenlaub

Ein Rundgang zeigt die erstaunliche Artenvielfalt auf dem Südwestkirchhof

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Ein Rundgang zeigt die erstaunliche Artenvielfalt auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf - Der Stahnsdorfer Südwestkirchhof ist für den Berliner Biologen Bernd Machatzi ein Phänomen: 503 wildwachsende und verwilderte Gefäßpflanzen wachsen hier, darunter 66 Arten, die mittlerweile auf der Roten Liste stehen, also stark bedroht sind. In einem Kiefernwald sei gerade mal die Hälfte zu finden. Vergleicht man die Flora des Stahnsdorfer Friedhofs mit der des gesamten Hauptstadtgebietes, wird seine Analyse noch erstaunlicher: In ganz Berlin gibt es 1400 verschiedene Gefäßpflanzenarten. Die Artenfülle beschränkt sich nicht nur auf Farn- und Blütenpflanzen. Auch Moose, Pilze und Flechten und nicht zuletzt Tiere gibt es hier en gros. Im Rahmen einer Studie unter dem Motto „Ökologie und Denkmalschutz“ hat sich Machatzi einen Überblick über die Pflanzenwelt des Kirchhofs verschafft. Neben seiner Tätigkeit als Mitarbeiter des Berliner Naturschutzbeauftragten ist Machatzi Mitglied im Botanischen Verein Berlin/Brandenburg. Zusammen mit seinem Vereinskollegen, dem Kleinmachnower Gerhard Casperson, gab er kürzlich eine Führung über den Südwestkirchhof. Im Fokus der Beobachter: Die bunte Pflanzenwelt auf dem mit 200 Hektar zweitgrößten Friedhof Deutschlands. Der Förderverein des Südwestkirchhofs hat in diesem Jahr sein Veranstaltungsangebot erweitert, neben Führungen entlang der Gräber finden nunmehr auch Rundgänge zu biologischen Themen statt. “Vor hundert Jahren begann man hier, einen Bauernkiefernwald umzugestalten", eröffnet Casperson seine Ausführungen. Hier gebe es Kiefern, die mittlerweile 200 Jahre alt sind. Auch der aus Amerika und Asien stammende Rhododendron sei stark vertreten. Diese Pflanze braucht saueren Heideboden, ein Anspruch, dem der Kirchhof offensichtlich gerecht wird. Für Casperson ist das Areal eine biologische Schatztruhe, er könnte stundenlang referieren und müsste dabei nicht einmal den Standort wechseln. Kreuzblütler, Storchschnabel, Gewitterblume: Die Fachmänner bedienen sich der Namen, mit denen der Volksmund die Gewächse getauft hat, das sei viel anschaulicher. Schon hat Casperson die nächste Pflanze ausfindig gemacht: ein dünn belaubter Strauch am Wegesrand. Er stößt mit dem Finger leicht dagegen – das Gewächs zittert fast bis zur Wurzel: „Espenlaub“, erläutert er mit einem Wort. Auf dem Weg über den parkähnlichen Kirchhof werden allerlei Rätsel gelöst und Volksweisheiten aufgeklärt. Dass der Kirchhof mehr als eine Begräbnisstätte ist, zeigen auch aufgewühlte Erdhaufen an den Lichtungen. „Zurzeit haben wir hier Wildschweine“, erzählt der Vorsitzende des Fördervereins Olaf Ihlefeld. Nachts sei ein Jäger unterwegs, um das Problem einzudämmen. „Eigentlich ist der Kirchhof die schönste Grünanlage hier in der Gegend“, sagt der Stahnsdorfer Oliver Herzog. Auch die anderen Führungsteilnehmer sehen die Anlage nun mit anderen Augen. „Die Leute bringen die Themen sehr fachlich und kompetent rüber“, lobt der Berliner Detlef Belaschk. Die Initiative, den Friedhof aus verschiedenen Perspektiven zu zeigen, sei sehr lobenswert. Thomas Lähns

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