Michendorf: Wer in den Bahnhof ziehen soll
Thomas Drechsel will den Michendorfer Bahnhof sanieren. Künftig soll er einen Kiosk und eine Theatergruppe beherbergen.
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Michendorf - Durch die Fenster neben dem Eingang des Bahnhofs Michendorf pfeift der Wind, im Innenraum gibt der abgeplatzte Putz an mehreren Stellen das rote Mauerwerk frei. Es ist offensichtlich, dass sich schon länger niemand mehr um das Michendorfer Bahnhofsgebäude gekümmert hat. Das soll sich nun ändern – dank des neuen Eigentümers Thomas Drechsel. Der Berliner Investor hatte das Gebäude wie berichtet Ende März für 313 000 Euro ersteigert.
In der Empfangshalle haben bereits die ersten Vorarbeiten begonnen: Restauratorin Kristina Schindler untersucht mit Lupe und Spezialwerkzeug die verschiedenen Schichten Wandfarbe. „Wir freuen uns, dass sich endlich jemand dieses Gebäudes annimmt“, sagt Schindler. Mit Thomas Drechsel tut das nun jemand, der sich mit Bahnhöfen auskennt. Der 56-Jährige investiert gern in alte Gebäude – am liebsten in Bahnhöfe. So ließ er bereits den Bahnhof Nikolassee, den Bahnhof Bad Saarow und den Bahnhof Mexikoplatz restaurieren.
Keine grundlegenden Veränderungen am Bahnhof Michendorf
„Das ist einfach eine Liebhaberei von mir“, sagt der Investor. Bezüglich der Aufteilung und Nutzung des Gebäudeinneren plant Drechsel keine grundlegenden Veränderungen am Status Quo. Das Gebäude soll zunächst in den Stand gesetzt werden, den der Denkmalschutz und aktuelle Brandschutzauflagen fordern. Dafür müssen etwa Fenster und Dach erneuert und einige Stahlträger neu ummantelt werden. In der Eingangshalle sollen außerdem die alten Wandfliesen freigelegt werden. Um die Brandschutzauflagen zu erfüllen, muss Drechsel darüber hinaus zusätzliche Fluchtwege bauen lassen.
Einen Zeitplan für die Restaurierung könne er derzeit noch nicht nennen, ebenso hält er sich bezüglich der Kosten bedeckt. Nur so viel: „Dadurch, dass es Denkmalpflege ist, lässt sich vieles steuerlich abschreiben.“ Die Bahn behält weiterhin das Geh-, Fahr- und Leitungsrecht für die Bahnhofshalle. „Das bedeutet, dass Personen auf ihrem Weg zum Zug jederzeit durch die Halle gehen oder ihr Fahrrad schieben dürfen“, so Drechsel.
Im Bahnhofsfoyer möchte er einen Kiosk einrichten. Mit der Präsenz des Kioskpersonals hofft er, das wohl häufigste Problem einzudämmen, von dem Bahnhöfe seiner Erfahrung nach betroffen sind: den Vandalismus. Da das Kioskpersonal nicht 24 Stunden am Tag da sein kann, will Drechsel zusätzlich Überwachungskameras installieren. Für den Pächter des Kiosks solle es zudem die Auflage geben, das Bahnhofsfoyer sauber zu halten. „Einfach, dass jemand mal morgens mit dem Eimer durchgeht“, so Drechsel. In Berliner Bahnhöfen habe er so gute Erfolge erzielt.
Das Kartoffelrestaurant soll bleiben, die Mieten der Wohnungen steigen
Das Kartoffelrestaurant „Schneiders“ soll dem Michendorfer Bahnhof laut Drechsels Plänen erhalten bleiben, ebenso die psychotherapeutische Praxis und die sechs Mietwohnungen, die jetzt teilweise leer stehen. Bei ihnen werde sich in einigen Fällen die Miete erhöhen: „Wir sind gerade dabei, die Wohnungen neu zu vermessen und stellen dabei fest, dass teilweise deutlich weniger Quadratmeter in den Mietverträgen stehen als es tatsächlich sind.“ So hätten Mieter teilweise nur zwei Euro pro Quadratmeter bezahlt. „Hier wird es dann Anpassungen geben.“
Jennifer Henke, Betreiberin der Gaststätte „Schneiders“, soll jedoch nicht mehr Miete zahlen müssen. So hat es ihr der neue Eigentümer bisher zumindest mündlich zugesagt. Henke hat Jahre des Bangens um ihre Wirtschaft hinter sich. Die Deutsche Bahn hatte ihr bereits Ende 2014 den Mietvertrag gekündigt, um das Gebäude zu verkaufen. Als Henke gemeinsam mit einem Partner selbst Interesse am Kauf anmeldete, habe die Bahn ihr dann Auflagen präsentiert, die sie unmöglich erfüllen konnte. Nachdem sie gegen die Mietkündigung Widerspruch eingelegt hatte, war der Vertrag stillschweigend weitergelaufen. Sie habe aber ständig damit gerechnet, dass sie das Restaurant doch würde räumen müssen. Aus diesem Grund habe sie auch seit Jahren keine Renovierungen mehr vorgenommen, sagt die Betreiberin.
"Drechsel scheint wirklich Bahnhofsliebhaber zu sein"
Obwohl sie sich mit dem neuen Eigentümer gut verstehe, könne sie wegen der lange Zeit der Unsicherheit derzeit noch nicht aufatmen: „Ich glaube erst, dass ich hierbleiben kann, wenn ich die Bedingungen schwarz auf weiß habe.“ Sie müsse sich mit ihrem neuen Vermieter jetzt erst einmal darüber verständigen, wer von ihnen welche Renovierungskosten übernehme. Bisher habe sie aber einen durchaus positiven Eindruck von Thomas Drechsel: „Er scheint wirklich Bahnhofsliebhaber und nicht bloß auf Profit aus zu sein.“
Den Gewölbekeller des Bahnhofs hatte Drechsel ursprünglich als zusätzliche Gastronomie-Fläche geplant. Dafür sei sie allerdings mit 70 Quadratmetern doch etwas zu klein, so der Eigentümer. Nun wird eine örtliche Theatergruppe den Bereich für Proben und Auftritte mieten. Zudem wird ein Projekt zur Fortbildung für Langzeitarbeitslose einziehen. Beiden habe Drechsel bereits zugesagt.
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