Potsdam-Mittelmark: „Wer soll das prüfen“
Am Rande eines Vergaberechtsforums in Werder gab es Kritik an Rot-Rot und Schwarz-Gelb
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Werder (Havel) - Die bereits von der Großen Koalition angeschobene Vergaberechtsreform auf Bundesebene ist noch nicht ganz abgeschlossen, da plant Schwarz-Gelb schon die nächste. Das deutsche Vergaberecht bleibt weiter in Bewegung – zum Unmut des Städte- und Gemeindebundes (StGB). Gestern wurden 150 Verwaltungsleute aus ganz Brandenburg vom StGB im Schützenhaus in Werder auf die anstehenden Änderungen vorbereitet, auch die auf Landesebene: Denn der märkische Koalitionsvertrag sieht vor, dass öffentliche Aufträge nur noch vergeben werden können, „wenn über dem Mindestlohn liegende Tarifbindung oder zumindest die Zahlung von Mindestlöhnen vorausgesetzt ist“.
Die brandenburgischen Kommunen, die hier rund zwei Drittel aller öffentlichen Aufträge vergeben, sehen sich damit vor unüberwindbare Probleme gestellt. „Es gibt 20 000 gültige Tarifverträge in Berlin und Brandenburg, wer soll das alles prüfen?“, fragte der Präsident des Brandenburgischen StGB, Werner Große (CDU), der auch Bürgermeister von Werder ist, gestern am Rande des Weiterbildungsforums. Zwar sei prinzipiell nichts dagegen einzuwenden, Dumpinglöhne zu verhindern. Problematisch werde es allerdings, wenn die Kommunen dafür haftbar gemacht werden können. „Ob die Pflastersteine aus Indien von Kindern produziert wurden, ist mit letzter Sicherheit durch die Rathäuser unmöglich zu kontrollieren“, sagte Große. Ein Vergaberecht, dass Tariflöhne vorschreibt, grenze deshalb an „Etikettenschwindel“.
Norbert Portz, Vergaberechtsexperte des deutschen StGB, plädierte gestern in Werder für eine „Reformpause“ – auch auf Bundesebene. Mit der durch die große Koalition angeschobenen Vergaberechtsreform sei in Sachen Bürokratieabbau viel erreicht worden. Wenn die neue Bundesregierung allerdings den Rechtsschutz bei „Unterschwellenaufträgen“ verbessern will, drohe eine Klagewelle auf die Kommunen zuzurollen. Unterlegene Bieter könnten dann auch den Rechtsweg beschreiten, wenn es um Bauaufträge unter 5,1 Millionen Euro und Dienstleistungsaufträge unter 206 000 Euro geht. Laut Portz liegen 98 Prozent aller kommunalen Aufträge unter dieser Schwelle. „Wir sollten uns beim Vergaberecht am Urziel der wirtschaftlichen Beschaffung orientieren und keine Arbeitsbeschaffung für Anwälte betreiben“, sagte Portz.
Immerhin kann der StGB den geplanten Änderungen auch einen positiven Aspekt abgewinnen: Die rot-rote Koalition ist sich einig, dass die Lockerung des Vergaberechts im Rahmen des Konjunkturpakets in Brandenburg bestehen bleiben soll. Beschränkte Ausschreibungen von Bauleistungen sind demnach bis zu einer Million Euro Auftragswert möglich, die freihändige Vergabe bis 100 000 Euro. Henry Klix
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