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Potsdam-Mittelmark: Werders Pannenflughafen

Der Bau der Blütentherme geht seit Monaten nicht voran. Bürgermeisterin Saß verspricht nur noch, dass das Bad fertig gebaut wird – schneller als in Potsdam

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Werder (Havel) - Klar, es ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Blütentherme ihre Pforten für badehungrige und saunadurstige Gäste öffnen wird. So wird es derzeit vom Rathaus kommuniziert. Eine Frage der Zeit ist es auch beim BER, bis Flugzeuge starten und landen. „Das ist der Pannenflughafen von Werder“, spricht es ein älterer Herr aus, der mit seiner Frau in der Nähe der Baustelle spazieren geht. Ganz falsch liegt er nicht, der Bauplatz gehörte mal zu einem Militärflugplatz.

Ob auf der Baustelle gearbeitet wird, lässt sich nur erahnen. Im Pförtnerhäuschen brennt Licht, ein Arbeiter braust gelegentlich mit einem orangefarbenen Gabelstapler über die Baustelle. Geladen hat er nichts. Immerhin, aus dem Innern des künftigen Wellnesstempels kreischt ab und an eine Kreissäge, durch die geschwungene Fensterfront scheint Licht. Ansonsten arbeitet sich nur der kalte Dezemberwind übers Gelände, pustet Dampfrauchschwaden des neuen Blockheizkraftwerks in den grauen Himmel – die hauseigene Energiezentrale, sie läuft.

Strom und Wärme gibt es seit einigen Tagen, das bestätigt auch die Stadt Werder. Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) will dennoch keinen Eröffnungstermin mehr nennen. Zumindest ist sie zuversichtlich, dass man vor dem Freizeitbad in Potsdam fertig wird, vor dem Oktober 2016 also. „Davon gehe ich aus.“ Bei Stadtverordneten wird gehofft, dass es der Herbst 2015 wird. Kernproblem ist laut Saß ausgerechnet die Einheit, die als einzige funktioniert: die Energiezentrale.

Vertraglich vereinbart war, dass die bayerische Kristall Bäder AG und ihr Gründer, „Bäderkönig“ Heinz Steinhart, das Bad mit der Kommune in öffentlich-privater Partnerschaft errichten. Werder bezahlt das Projekt mit 18 Millionen Euro. Die AG pachtet das Bad für einige Jahre, anschließend kauft sie es zum Restwert von der Stadt. Im Vertrag stand auch der Starttermin: Mitte 2013.

Vieles ist seit dem Baustart vor drei Jahren anders gelaufen, auch die Energiezentrale war nicht vereinbart. Die Eigenversorgung ist zwar günstiger als der vereinbarte Anschluss ans Fernwärmenetz, doch das neue Kraftwerk steht – anders als die Therme – auf einem Areal, dass der Kristall Bäder AG und nicht der Stadt gehört. Das Rathaus will Sicherheiten, dass stets Strom und Wärme für die Therme bereitstehen, eine „dingliche Besicherung“, sagt Saß. „Eine Therme ohne Strom und Wärme ist nicht nutzbar.“ Am 16. Dezember sollen sich alle Beteiligten zusammensetzen, Saß hat für die Unterredung den ganzen Tag im Kalender blockiert. Einen Plan B habe sie nicht, „Aber ich sage ganz klar, die Therme wird fertig gebaut.“

Im Moment ist davon nichts zu sehen. Es läge eine fast wellnessartige Ruhe über der Baustelle, würden nicht im neuen Quartier gegenüber Dutzende Bauarbeiter einige Mehrgeschosser hochziehen. Die Arbeiter hämmern, sägen und bohren, Kräne verfrachten Baumaterial von A nach B, Bulldozer, Gabelstapler und Lkw brummen über den frostigen Boden. Luxuriöse Wohnungen und Reihenhäuser entstehen hier, teilweise in alten Flieger-Kasernen. Ein starker Kontrast. Die Bauarbeiten haben viel später begonnen als für die Therme, doch die ersten neuen Bewohner sind schon eingezogen.

Die Kristall Bäder AG hat die Schuld an den Bauverzögerungen stets der Stadt Werder zugeschoben. Aktuell warte man auf „prüfbare Vertragsentwürfe der Stadt“, um unter den geänderten Konditionen weiterbauen zu können, sagt Heinz Steinhart. „Wir stehen Gewehr bei Fuß.“ Die Blütentherme soll, so ist es Steinharts Wille, opulenter werden als vertraglich vereinbart – vor allem wegen des in Potsdam geplanten Freizeitbades, dessen Bau am Freitag beginnt. Allem Anschein nach kann die Kristall Bäder AG die Mehrkosten nicht allein schultern, sucht Wege, um zusätzliche städtische Mittel zu bekommen. Die Stadt ist dazu bereit, wartet aber ihrerseits auf Sicherheiten.

Bis dahin passiert wenig, Fremdfirmen haben seit Wochen keine Aufträge bekommen, wie es heißt. Die wenigen Leute vor Ort sind von der Kryos AG, dem Generalunternehmer, deren Chef Gerd Bittermann im Vorstand der Kristall AG sitzt. Sie soll derzeit am Innenausbau der Verwaltungsräume arbeiten. Die Therme, schätzen Fachleute, ist zu 70 Prozent fertig, substanzielle Baufortschritte gibt es seit Monaten nicht. Der Innenausbau der Bade- und Saunawelt und viele versprochene Elemente lassen auf sich warten, auch die beiden 100-Meter-Rutschen, deren Türme längst sichtbar sein sollten. Das Bautagebuch auf werder-havel.de hatte im August den letzten Eintrag.

Der Gabelstapler durchbricht die Ruhe und setzt sich wieder in Bewegung. Dieses Mal hat er Holzstämme geladen. Wofür bleibt ein Geheimnis, der Stapler verschwindet hinter der Therme. Eine Frau geht mit ihrem Hund auf der benachbarten Promenade spazieren. Seit 17 Jahren wohnt die gebürtige Potsdamerin in Werder. Ob sie öfter hier Gassi geht? „Ja.“ Ob sich an der Blütentherme etwas getan hat in letzter Zeit? „Ich habe das Gefühl, hier passiert seit einer Ewigkeit nichts mehr.“

Das Gerüst an der Westseite sei wohl erweitert worden, vermutet die Dame unschlüssig. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf den Gabelstapler, der wieder hinter der Therme hervorbraust, unbeladen, und zum Baustellenausgang saust. Die Dame leint ihren Hund an und meint: „Es ist ein Trauerspiel. Wer weiß, wie viel Geld da schon den Bach runter ist?“

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