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Von Thomas Lähns: Wieder Leben im Stadtkern

Soziologe bestätigt: Beelitz ist mit seinen geplanten Senioren-Wohnprojekten auf dem richtigen Weg

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Beelitz - Sie sind die letzten Konstanten in einer Zeit des Wandels – auch deshalb werden historische Stadtkerne als Wohn- und Lebensort beliebter. Wenn der Soziologe Albrecht Göschel auf Beelitz blickt, fällt ihm viel Lob ein. Mit den geplanten Projekten für neue Seniorenwohnungen im Zentrum habe die Verwaltung den Trend erkannt. „Das ist etwas, das sie für ihre Bürger tun – nicht für Gäste oder Touristen.“ Göschel gilt als internationaler Experte für Regionalentwicklung. Bürgermeister Bernhard Knuth hatte ihn zur jüngsten Stadtverordnetenversammlung eingeladen, um die Perspektiven und Potenziale der Spargelstadt aufzuzeigen.

14 Millionen Euro an Fördermitteln sind laut Sanierungsträger Stadtkontor seit der Wende in Beelitz investiert worden. Zwei Drittel des Bestandes sind saniert, und für weitere Vorhaben liegen konkrete Planungen vor. Mit dem Umbau des ehemaligen Hotels „Zum Goldenen Stern“ an der Berliner Straße sollen neben der Stadtbibliothek, einer Physiotherapie, dem Eltern-Kind-Zentrum und Geschäften auch Senioren eine neue Heimstatt finden. Insgesamt fünf Wohnungen von bis zu 60 Quadratmetern sind im Obergeschoss geplant, allesamt barrierefrei und per Aufzug erreichbar. „Die Kombination ist ideal“, befindet Experte Göschel. Denn Senioren dürften nicht in Heime im Grünen abgeschoben werden, man brauche neue Wohnformen für die „Generation 50+“. „Wen man am Leben halten will, den muss man im Leben halten“, sagt der Soziologe.

Ein weiteres Projekt soll im übernächsten Jahr direkt neben dem Rathaus an der Ecke Berliner- und Poststraße umgesetzt werden: In einem Neubau sollen circa sechs Mietwohnungen entstehen. „Zurzeit sprechen wir die Details mit unserer Wohnungsgenossenschaft ab“, so Bürgermeister Bernhard Knuth (BBB) vor kurzem gegenüber den PNN. Gefragt seien in Beelitz vor allem Zweiraumwohnungen. Die sollen hier geschaffen werden.

Für die zunehmende Wertschätzung der Altstädte sieht Soziologie-Professor Göschel drei wesentliche Faktoren, wie er den Stadtverordneten deutlich machte: Die rasante technische und kulturelle Entwicklung würde erstens den Wunsch nach Beständigkeit wecken. „Wir sehnen uns nach Sachen, die sich nicht verschleißen, sondern der Zeit enthoben sind.“ Zweitens würden einzelne Objekte in den Stadtkernen Symbole für die Biographie ihrer Bewohner bilden. Das alte Krankenhaus zeigt, wann und wo man geboren ist, die Schulpforte erinnert an die Einschulung, so Göschels Beispiele.

Und schließlich würden historische Stadtkerne einen Kontrast zu Funktionsbauten wie Bahnhöfen oder Flughäfen bilden, also Durchgangsorte, an denen niemand zuhause ist. An den Protesten gegen Stuttgart 21 sehe man das enge Verhältnis der Menschen zu Orten, die sich nicht in Rationalität auflösen , meint Göschel.

Doch wer wird künftig in den Stadtkernen leben? Regionalforscher Göschel sieht vor allem für die urbanen Zentren drei Gruppen. Die Familie könne es sich nicht mehr leisten, in Häuser im Grünen zu ziehen. „Die Frau als frühere Familienmanagerin geht mittlerweile selbst arbeiten, die Kinder haben prall gefüllte Terminkalender mit Musikunterricht, Sport und ähnlichem. Die sind am Stadtrand aufgeschmissen“, bilanziert Göschel. Eine zweite Gruppe, die für kleine Städte wie Beelitz aber weniger infrage käme, seien Künstler: „prekäre Existenzen“, die nur Geld verdienen, wenn sie mitten im Geschehen sind und so an Aufträge kommen. Und schließlich die Senioren: Göschel unterscheidet zwischen „Neu-Alten“, die gesund und aktiv ihr Leben genießen, und den „Alt-Alten“: pflegebedürftigen Menschen, deren Versorgung schon aufgrund ihrer steigenden Zahl nicht mehr durch staatliche Versicherungen gewährleistet werden kann. „In gemeinsamen Wohnprojekten können sich diese Gruppen gegenseitig helfen“, schlägt der Soziologe vor.

Anregungen, die man in Beelitz aufgreifen wird. Ein Treffpunkt der Generationen sei zum Beispiel auch in Beelitz möglich und nötig, so Bürgermeister Bernhard Knuth.

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