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Eberhard Chabrowski: Hängt der Stiefel draußen, ist er vor Ort.

© Thomas Lähns

HANDWERK: Wieder Leben in der „Puppenstube“

Beelitz hat einen neuen Schuster. Eberhard Chabrowski hat bereits Karel Gott und die Mira neu besohlt.

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Beelitz - Sein Meisterstück hat Eberhard Chabrowski griffbereit: Aus dem Wandregal holt er einen schwarzen Herrenschuh, rahmengenäht, 60er Jahre. „Es war der beste Schuh von Berlin“, sagt er stolz, darauf gab ihm der Obermeister der West-Berliner Schuster-Innung Brief und Siegel. Chabrowski war damals 23 – und damit der wohl jüngste Handwerksmeister seiner Zunft. Sein Können sprach sich herum: In die Werkstatt am Berliner Kudamm, die sein Vater 1955 eröffnete, strömte bald auch Prominenz. Roland Kaiser, Karel Gott, Brigitte Mira – sie alle ließen sich von ihm die Treter auf Vordermann bringen oder neue anfertigen.

Heute steht Chabrowski wieder hinter einer Ladentheke und nimmt Aufträge entgegen. Nicht in Berlin, sondern in Beelitz. Zwei Mal pro Woche öffnet er die Schuhmacherwerkstatt in der Mühlenstraße 32. Damit hält er nicht nur die Fahne seines Handwerks hoch, sondern knüpft auch an eine über zweihundertjährige lokale Tradition an. Den gut 20 Quadratmeter großen Laden, den Chabrowskis Frau Barbara liebevoll als „Puppenstube“ bezeichnet, soll es seit Ende des 18. Jahrhunderts geben. Zuletzt hatte ihn der ortsansässige Schuster Horst Winkler betrieben. Zu ihm waren die Beelitzer gekommen, wenn mal der Hacken lose war oder sich eine Naht gelöst hatte. Nachdem er 2008 gestorben war, stand das Lädchen leer – bei den Beelitzern stapelten sich kaputte Schuhe.

Eberhard Chabrowski wollte Anfang des Jahres eigentlich nur mit einem Werbeplakat am Fenster des Ladens auf seine Schuhmacherwerkstatt in Schäpe hinweisen, die er seit 2010 betreibt. Das Ordnungsamt hatte jedoch Bedenken und schickte den Handwerker zu Bürgermeister Bernhard Knuth. „Ich weiß etwas viel besseres“, hatte der gesagt und seinen Gegenüber für den Betrieb des Ladens verpflichtet. Immerhin macht sich ein historischer Handwerksbetrieb hervorragend in einer historischen Altstadt. Kurzum wurden die Geschäftsräume von der Stadt, der das Haus gehört, renoviert und die Möbel aus den 1920er Jahren aufgearbeitet.

Im hinteren Bereich des Ladens steht noch eine über hundert Jahre alte Ausputzmaschine – die jedoch nur Schauzwecken dient. Eine kleine Gegenleistung für die Nutzung des Ladens: Der Meister soll ihn zu Stadtfesten für Besucher öffnen. Ansonsten ist er zwei Mal pro Woche vor Ort. „Wenn der Stiefel an der Türe hängt, bin ich da“, sagt er und verweist auf den symbolischen Reitstiefel, der schon von Weitem zu sehen ist. Dienstags von 12 bis 18 Uhr und donnerstags zwischen 9 und 13 Uhr werden Schuhe angenommen, die Chabrowski mit in die Werkstatt nach Schäpe nimmt.

Die zu eröffnen war er quasi gezwungen gewesen. Denn nachdem Eberhard Chabrowski seinen Laden am Kudamm 2002 wegen der steigenden Miete geschlossen hatte, um in Ruhestand zu gehen, traf er in Schäpe einen früheren Kunden. Der klagte, dass er nun kaum noch funktionstüchtiges Schuhwerk habe. So trat Chabrowski wieder in Dienst. Bereits drei Jahre zuvor war er mit seiner Frau nach Schäpe gezogen. Er kennt die Reize der Gegend: Aufgewachsen ist er in Borkwalde, wo seine Familie ein Wochenendgrundstück hatte.

Chabrowski betreibt ein Handwerk, dem vor allem die junge Kundschaft allmählich abhanden kommt. „Ich will hier zeigen, dass es nicht nur bei Aldi und Lidl Schuhe gibt“, sagt er. In dem Laden nimmt er auch Bestellungen für maßgefertigte Schuhe der österreichischen Marke „Handmacher“ an. Für ihn ist ein solcher Schuh nicht nur eine Frage der Qualität, sondern auch der Gesundheit. Wenn das Fußbett der individuellen Form des Fußes richtig angepasst ist, gebe es auch weniger Probleme mit dem Rücken, sagt er. Allerdings würden die Leute den Unterschied erst spüren, wenn sie in eine Maßanfertigung geschlüpft sind. Das Gefühl sei mit dem vergleichbar, wenn man am Strand durch den Sand läuft. Thomas Lähns

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