Potsdam-Mittelmark: Wiege der Halbleiter
Industriemuseum gibt Broschüre heraus
Stand:
Teltow - Um die Anfänge der Halbleitertechnik in der DDR zu dokumentieren, wird im Industriemuseum derzeit an einer Broschüre gearbeitet. Die Wiege dieser Technik stand in Teltow, im einstigen VEB Werk für Bauelemente der Nachrichtentechnik „Carl von Ossietzky“. Das Werk stellte hauptsächlich Widerstände für die Elektrotechnische Industrie her, und 1953 konnten dort die ersten funktionsfähigen Transistoren unter Laborbedingungen gefertigt werden. Im Taschenradio „Sternchen“ von Stern Radio Berlin befanden sich später Transistoren, die in Teltow entwickelt worden waren. Teltower Halbleiter waren ebenso in Baumaschinen, Lokomotiven, S-Bahnen sowie Haushaltsgeräten zu finden.
Wissenschaft und Technik sollten die Weltmarktfähigkeit der DDR sichern, weshalb 1960 das Institut für Halbleitertechnik Teltow (IHT) gegründet wurde. 15 ehemalige Leiter und Mitarbeiter erinnern sich in der Broschüre an verschiedene Etappen dieser Entwicklung, die den Wissenschaftlern und Ingenieuren viel Erfindergeist und Risikobereitschaft abverlangte, denn in der Praxis fehlte es oftmals an wichtigen Voraussetzungen wie Material und Ausstattung. Vieles bauten die Tüftler selbst wie beispielsweise einen Durchlaufofen, um Transistoren fertigen zu können. „Zumindest am Anfang war der technologische Stand der DDR, mit dem in Westen vergleichbar“, sagt Ingenieur Heinz Schmidt.
Anfangs war das IHT noch im Gebäude der ehemaligen Parfüm- und Seifenfabrik Lohse (heute Lavendel-Residenz) in der Teltower Elbestraße untergebracht, Teile auch in einer alten Stahnsdorfer Zigarettenfabrik, ehe Mitte der 60er Jahre der Umzug in die neuen Laborgebäude auf dem heutigen Green-Park-Gelände erfolgte.
Auf dem Entwicklungsprogramm des Institutes standen Dioden aus Silizium, Germanium und Glas, ebenso Golddraht- und Fotodioden. Zu den Pionierleistungen zählen die Forscher die Züchtung von Kristallen, mit denen erste Versuche liefen, Bauelemente auf einem Chip zu integrieren.
Oft mangelte es jedoch an Material, wie beispielsweise fotoempfindlichen Lacken für das Verfahren der Fotolithografie. Auch ein Spezialmikroskop und Fotoschablonen fehlten. Daher konnten ein Jahr lang nur Versuchsstrukturen und noch keine Silizium-Planar-Transistoren hergestellt werden. Die Schablonen fertigten sich die tüftelnden Mitarbeiter dann von Hand selbst, ebenso bastelten sie ein Mikroskop, und als ein Jahr später über Umwege endlich ein Kanister mit Lack organisiert wurde, konnten die ersten Silizium-Planar-Transistoren in kleinem Umfang für die Industrie hergestellt werden.
Später galt die Mikroelektronik – der Stahnsdorfer Betrieb firmierte in den 80er Jahren zu „Mikroelektronik Karl Liebknecht Stahnsdorf“ (MLS) – als Schlüsseltechnologie, und noch im September 1989 wurde ein Reinstraum für die Chip-Produktion eingeweiht. Wochen später aber schon das Ende einer 30-jährigen Entwicklung eingeläutet. Die Treuhand verkaufte das Gelände an einen Investor. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: