zum Hauptinhalt

Von Tobias Reichelt: Windkraft hier und überall

Gericht kippt Teilplan Wind und macht Weg frei für Windräder im Süden von Teltow und Stahnsdorf

Stand:

Region Teltow - Warum Windräder auf der Nauener Platte und nicht auf den Teltower Rieselfeldern? Vielleicht hätte Harald Knauer auf diese eine Frage eine bessere Antwort geben sollen, dann wäre der Teilplan Wind gerettet gewesen. „Vielleicht“, sagt Knauer und zuckt mit den Schultern. Der Chef der Regionalen Planungsstelle Havelland-Fläming ist sichtlich geknickt. In einer vier Stunden langen Verhandlung haben die Richter des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gestern den „Teilplan Windenergienutzung“ zerlegt – bis nichts mehr übrig blieb. Das Planwerk, an dem Knauer jahrelang gearbeitet hat, ist null und nichtig. „Theoretisch können jetzt überall Windkraftanlagen gebaut werden“, sagt Knauer – dabei hätten die Teltower Rieselfelder doch fast nichts mit der Nauener Platte gemeinsam.

Die Richter des Oberverwaltungsgerichts sahen das anders. Sie kippten gestern den Teilplan, der den „Wildwuchs der Windspargel“ begrenzen soll. Im Plan hatte die Regionale Planungsstelle festgelegt, auf welchen Flächen Windräder gebaut werden dürfen und auf welchen nicht – auf der Nauener Platte ja, auf den Teltower Rieselfeldern nein.

Die etwa 380 Hektar große Fläche im Süden Teltows und Stahnsdorfs war im „Teilplan Windenergienutzung“ ausdrücklich von der Windenergienutzung ausgenommen – im Gegensatz zu einem früheren Entwurf. Warum die Fläche später gestrichen, im Gegenzug die Windeignungsfläche auf der Nauener Platte erweitert wurde, schien den Richtern unplausibel. Schlimmer noch: Die Begründung für den Schutz der Rieselfelder stünde im Widerspruch zur Erweiterung auf der Grundmoränenfläche.

„In anderen Windeignungsgebieten sind Gemeinden sogar auf zwei Seiten von Windkraftanlagen berührt“, erklärte die Richterin. Das für den Schutz der Teltower Rieselfelder vorgetragene Argument der Siedlungsdichte sei allein kein Ausschlusskriterium. Hier und auf der Nauener Platte sei das Landschaftsbild gleich beeinträchtigt und der Landschaftsschutz nicht zu vernachlässigen. Die Richter wunderten sich auch, dass die Bemühungen der Gemeinde Stahnsdorf, auf den einstigen Rieselfeldern einen Erholungs- und Freizeitraum zu schaffen, bislang in „bloße Absichtserklärung“ mündeten.

Der „Teilplan Windenergienutzung“ sei unschlüssig und berücksichtige die Sicherung der Windenergie zu wenig, so das Fazit. Denn das Planwerk biete sogar Gemeinden mit Windeignungsgebiet vor der Haustür große Möglichkeiten, den Bau der Windräder durch kommunale Planungen noch zu verhindern. Kommunen seien durch den Plan geradezu animiert worden, von dieser Chance Gebrauch zu machen. Das stehe im Widerspruch zum Ziel des privilegierteten Ausbaus der Windenergie in Brandenburg.

Nach 2002 ist es bereits das zweite Mal, dass ein Gericht den hiesigen Teilplan für ungültig erklärt, eine Revision ist nicht möglich. Ohne gültigen Teilplan müssen nun viele der in der Region abgelehnten Windparks genehmigt werden.

So auch der von den Berliner Stadtgütern und der Plan 8 GmbH geplante Windpark mit 29 Anlagen auf den Teltower Rieselfeldern. Vor Ort hatten sich Anwohner und Politik bislang vehement gegen die Windräder gewehrt. Jetzt muss umgedacht werden. Bürgermeister Bernd Albers (BfB), der den Investoren bislang aus dem Weg gegangen war, lädt sie nun im Oktober zum Gespräch ein. Hier könnte über die Zahl der Anlagen, Abstandsflächen und auch den Bau einer Solaranlage gesprochen werden, sagte Albers nach dem Urteil. Im Ort sei der Widerstand groß, aber: „Windkrafträder stehen unserem Ziel eines Erholungsraums nicht unbedingt entgegen.“

Harald Knauer versuchte den Gemeinden im Kampf gegen die „Windmühlen“ hingegen frischen Mut zuzusprechen. Ein neuer Regionalplan soll schnell fertig werden – auch dort sind die Stahnsdorfer Rieselfelder nicht für die Windenergie vorgesehen. Jetzt fehlt es noch an einer guten Begründung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })