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Potsdam-Mittelmark: Windrad toppt Kirchturm

Bürger, Ortsbeirat und CDU machen Front gegen die bei Bliesendorf geplante Mega-Windfarm

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Werder (Havel) - Eine Bürgerinitiative hat sich gegründet, der Ortsbeirat an die Stadtverordneten geschrieben und es gibt ein Veto aus der CDU. In Bliesendorf formiert sich der Widerstand gegen Pläne für einen Windpark südöstlich vom Autobahndreieck Werder. Vor der Haustür des 500-Seelen-Dorfs sollen in einem Waldareal von zehn Quadratkilometern rund 45 Windräder installiert werden. Sie könnten 200 Meter in die Höhe ragen und 85 000 Haushalte mit Strom versorgen.

Der Windpark ist einer von 24, denen die Regionalplanung Havelland-Fläming den Weg bereiten will. Derzeit läuft ein öffentliches Beteiligungsverfahren für einen entsprechenden Teilregionalplan. Hintergrund sind die Klimaschutzziele der EU, Deutschlands und des Landes Brandenburg. Bis 2020 soll laut Energiestrategie des Landes der Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent steigen. Betroffen ist auch der Raum Beelitz: Bei Wittbrietzen und Beelitz-Heilstätten sind zwei weitere riesige Windfarmen geplant.

Gegen die am Dreieck Werder sind bereits 160 Einwendungen an die Regionalplanung geschrieben worden, sagte die Sprecherin der Bliesendorfer Bürgerinitiative, Eveline Kroll. „Die Bürger sind von den Plänen geschockt.“ Kroll warnt vor den Gesundheitsgefahren durch Schall und Infraschall und vor dem Waldverlust. Für jedes Windrad müssen laut Regionalplanung 6000 Quadratmeter gerodet werden. Ein bedeutsames Naherholungsgebiet gehe verloren, auch der natürliche Lärmschutz vor der Autobahn. An Werders Bürgermeister Werner Große (CDU) appelliert Kroll, den Windpark im Beteiligungsverfahren abzulehnen.

Der Bliesendorfer Ortsbeirat schuf dazu am Dienstagabend vor über 20 Gästen die Voraussetzungen: Einstimmig wurde ein Schreiben an die Stadtverordneten verabschiedet, in dem die Windräder abgelehnt werden. Der Wohnwert des Ortes wäre zerstört, auch der Erholungswert: Werder ist mit seinen Ortsteilen „Staatlich anerkannter Erholungsort“. Der Wald wäre als CO2–Speicher und Lärmschutz verloren, das Landschaftsbild entstellt und die Brandgefahr verschärft, wie es darin weiter heißt. Die Exklave Resau werde mit ihren fünf Häusern komplett vom Windpark eingeschlossen. In dem Schreiben ist auch vor den gesundheitlichen Auswirkungen von Schall und Infraschall die Rede: Im Teilregionalplan ist ein Mindestabstand von 1000 Metern zu Siedlungen vorgesehen, der in Bliesendorf gerade so eingehalten werden soll.

„Unser erster Blick ist der Kirchturm, darauf haben wir bei allen Planungen immer geachtet“, sagte die Bliesendorfer Ortsvorsteherin Annette Gottschalk (CDU). „Jetzt sollen es die Windräder sein.“ Als Investor für den neuen Windpark steht die Unternehmensgruppe Prokon aus Itzehoe (Schleswig-Holstein) in den Startlöchern. Sie soll sich bereits einen Großteil der benötigten Waldflächen gesichert haben.

Gast der Ortsbeiratssitzung war der CDU-Fraktionschef der Stadtverordnetenversammlung, Hermann Bobka. Er fürchtet die Zerstörung der Kulturlandschaft und periodische Lichtreflexionen durch die Rotorblätter, den sogenannten Diskoeffekt, der auch in Glindow spürbar werde. „Diese Kolosse gehören nicht in unsere Gegend“, so Bobka. Allerdings müssten im Flächennutzungsplan von Werder Alternativen ausgewiesen werden, falls am Autobahndreieck nicht gebaut wird. „Wo, das weiß ich heute nicht.“

Ähnlich äußerte sich der Werderaner Baufachbereichsleiter Axel Wolf. „Jeder kommunale Flächennutzungsplan, der keine Flächen für die regenerativen Energien ausweist, ist inzwischen rechtlich angreifbar.“ In der Sitzung geäußerte Befürchtungen, nach der 20-jährigen Nutzungszeit könnte eine Ruinenlandschaft zurückbleiben, konnte Wolf immerhin ausräumen: „Für den vollständigen Rückbau müssen die Investoren eine Bürgschaft hinterlegen.“ Der Windpark soll auch auf dem Dorffest am 26. August thematisiert werden: Auf den Einladungen sollen alle Bliesendorfer, die es noch nicht wissen, von den Plänen erfahren, sagte Ortsvorsteherin Gottschalk.

Der Regionalplanentwurf ist bis 11. September im Netz einsehbar unter havelland-flaeming.de.

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