Von Thomas Lähns: Wink aus der Provinz
Glindower Heimatverein baut mit Lottomitteln optischen Telegrafen auf dem Fuchsberg wieder auf
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Werder (Havel) - Weit kann man vom Fuchsberg aus über die Glindower Obstflur blicken. Bis zur Havel reicht die Sicht bei klarem Wetter – und wer ein Fernglas hat, schaut bis Potsdam. Bis vor 150 Jahren wurde diese Aussicht vom militärischen Nachrichtendienst genutzt: Auf dem gut 60 Meter hohen Hügel befand sich einst eine optische Telegrafenstation. „Von dort kam die Depeche und dorthin wurde sie weitergeleitet“, erzählt Vera Neumann, während sie erst nach Osten und dann nach Westen zeigt.
Die Glindower war die fünfte Station auf der Route von Berlin in die preußische Rheinprovinz. Nummer vier lag auf dem Potsdamer Telegrafenberg, Nummer sechs in Schenkenberg. Der Glindower Heimatverein will seinen Teil zur Rekonstruktion des historischen „roten Drahtes“ beitragen und hier wieder einen optischen Telegrafen aufstellen.
Mittlerweile sind cirka 30 der ehemals 62 Stationen auf der insgesamt knapp 600 Kilometer langen Strecke quer durch das damalige Preußen saniert oder neu hergestellt worden, berichtet Vera Neumann. Seit zwölf Jahren forscht die Vorsitzende mit ihrem Glindower Heimatverein zur hiesigen Station. Je mehr Erkenntnisse man zutage förderte, um so stärker wurde der Wunsch, die Geschichte vor Ort erlebbar zu machen.
Zusammen mit der Landtagsabgeordneten Susanne Melior (SPD) konnten in diesem Jahr 6500 Euro aus Lottomitteln für das Projekt akquiriert werden. 1500 Euro schießt die Stadt Werder dazu, 500 Euro bringt der Heimatverein auf. Noch in diesem Jahr soll das Fundament auf der Kuppe des Fuchsberges gegossen und ein achteinhalb Meter langer Holzstamm mit sechs Telegrafenflügeln von der Zimmerei Müller ausgerüstet werden. Im Frühjahr soll der Telegraf direkt am Obstpanoramaweg aufgestellt und die Radlerstrecke zwischen Petzow und Derwitz um eine Attraktion reicher werden.
Das Original ragte einst aus dem flachen Dach eines zweistöckigen Gebäudes, in dem der Ober- und Untertelegrafist täglich mit dem Fernrohr ihren Dienst verrichteten. „Es waren meistens altgediente Unteroffiziere, die aufgrund von Verletzungen nicht mehr kämpfen konnten“, berichtet Heimathistorikerin Neumann. Per Kurbel und mit Gegengewichten wurden die Flügel in Position gebracht: Je nach Neigung um 0, 45, 90 oder 135 Grad und je nach Kombination der sechs Flügel wurden Buchstaben, Worte und ganze Sätze codiert übermittelt. Je nach Wetterlage konnten bis zu zwei Zeichen pro Minute übermittelt werden. Eine ganze Depeche von Berlin nach Köln zu „kurbeln“ konnte durchaus einen Tag dauern. Erst in den Telegrafenexpeditionen am jeweiligen Ende der Strecke wurden die Botschaften entschlüsselt.
Ursprünglich im Frankreich des späten 18. Jahrhunderts entwickelt und genutzt, brauchte die optische Telegrafie einige Anläufe, bis sie sich auch in Preußen durchsetzte. 1832 ordnete König Friedrich Wilhelm III. den Ausbau der Strecke von Berlin nach Koblenz an, um die nach dem Sieg über Napoleon hinzugewonnenen Rheinprovinzen besser kontrollieren zu können. Während auf dem ersten Abschnitt bis nach Magdeburg vorwiegend neue Stationshäuser und -türme errichtet wurden, baute man im Westen Telegrafenmasten auf Wohngebäude und Kirchen auf, so dass die Telegrafisten nicht von ihren Familien getrennt wurden.
Nicht zuletzt wegen des hohen Aufwands war die Strecke militärischen und staatspolitischen Zwecken vorbehalten. Erst nach und nach konnten auch Kaufleute Börsenkurse in der für damalige Zeiten rasenden Geschwindigkeit übertragen. 1849 wurde die Kommunikation per Flügel vom Fortschritt eingeholt: In jenem Jahr ging die erste Drahtverbindung für die elektronische Telegrafie von Berlin nach Köln in Betrieb. Die Glindower Station stand noch bis Ende des 19. Jahrhunderts, wurde dann nach und nach von den Obstbauern abgebaut, schätzt Vera Neumann. Ein Meilenstein der Kommunikationsgeschichte wurde so zum Grundstein einiger Obstmuckerschuppen.
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