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Zuhören. Andrea Spehr mit Ludwig Burkardt (l.) und Christian Ehler.

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ORTSTERMIN: „Wir europäisieren die Probleme“

Michendorf - Es ist ein Blick hinter die Brüsseler Kulisse: Am Montag brachte der Europaabgeordnete Christian Ehler (CDU) Informationen mit zu einem Besuch nach Stücken, sozusagen aus allererster Hand. Er lieferte die taufrische Erklärung, warum es für ein Moor bei Stücken kein Geld von der EU gibt.

Von Eva Schmid

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Michendorf - Es ist ein Blick hinter die Brüsseler Kulisse: Am Montag brachte der Europaabgeordnete Christian Ehler (CDU) Informationen mit zu einem Besuch nach Stücken, sozusagen aus allererster Hand. Er lieferte die taufrische Erklärung, warum es für ein Moor bei Stücken kein Geld von der EU gibt. Und er traf auf dankbare Zuhörer.

In Brüssel habe man sich gefragt, was der Förderantrag aus Brandenburg überhaupt soll. „Rund 75 Prozent der beantragten Mittel waren nicht klaren Zielen zugeordnet“, sagt der Politiker, der mit seiner Familie in Potsdam lebt. Wie berichtet wird von Naturschützern seit Jahren um die Vernässung der Ungeheuerwiesen zwischen Stücken, Tremsdorf und Blankensee gerungen. Der Landschaftsförderverein Nuthe-Nieplitz will das Moor durch feuchte Wiesen schützen. Bauern und Anwohner sind mäßig begeistert.

Das Landesumweltamt hatte bei der EU dennoch Fördermittel in Höhe von 16 Millionen Euro beantragt – erfolglos. Über die Gründe gab es bisher keine Informationen. Ehler liefert sie gestern: „Normalerweise wird bei Förderanträgen kritisiert, dass zu viele Ausgaben für einzelne Posten berechnet wurden. Oder andere Kleinigkeiten werden moniert.“ Dass der Großteil des Förderantrags völlig unbrauchbar sei, das gebe es selten. Die Absage aus Brüssel komme einer Ohrfeige gleich.

In wenigen Monaten werde die Kommission dazu schriftlich Stellung nehmen, sagte der CDU-Mann. Der Förderantrag aus Brandenburg sei unter anderem mit seinen Forderungen zum Artenschutz übers Ziel hinausgeschossen. „Dort wurden Vogelarten aufgelistet, die gar nicht so sehr schützenswert sind“, sagte Ehler vor hocherfreuten Landwirten aus der Region. Die nickten eifrig, man hat sie verstanden in Brüssel.

Damals, als er von dem Antrag hörte, sei er schockiert gewesen, erinnert sich Landwirt Jens Schreinicke. „Ich hatte befürchtet, dass die in Brüssel nicht darauf schauen, ob die Vernässung in der Region überhaupt akzeptiert wird.“ Regionaler Konsens, antwortet ihm der EU-Politiker, sei heute Voraussetzung für so große Förderungen. Es sei nicht mehr wie früher, als die Gelder schneller flossen. Mittlerweile entscheide man mit Augenmaß in Brüssel, das zeige die Projektabsage. Das war den Stückenern völlig neu.

Zu bürokratisch und zu weit weg sei die EU-Politik – das hört Ehler oft auf seinen Touren durch Brandenburg. Dann erinnere er daran, was die EU den Bürgern bringe: „Man denke nur an den Verbraucherschutz.“ Auch jedes Oberstufenzentrum im Land sei von der EU finanziert. Leider gehe das oft unter, Kommunal- oder Landespolitiker würden die Hilfen aus der EU erst im fünften Nebensatz erwähnen. „Wir europäisieren die Probleme und nationalisieren die Erfolge“, fasst Ehler das Problem zusammen.

Neben dem Moorschutz geht es auf der Tour durch Michendorf um kleine und mittelständische Unternehmen. Halt macht Ehler, begleitet vom Landtagsabgeordneten Ludwig Burkardt, in der Wilhelmshorster Fleischerei von Andrea Spehr. Seit 18 Jahren betreibt sie den Familienbetrieb. Im vergangenen Jahr hat Spehr ihr Sortiment getauscht, seither verkauft sie nur noch Neuland-Fleisch aus artgerechter Haltung. Die Preise sind gestiegen, die Kunden akzeptierten das. „Viele kaufen weniger Fleisch und essen es bewusster“, so Spehr. Jedoch hätten viele ihrer Zulieferer Probleme mit dem Nachwuchs. „Konventionelle Tierhaltung ist einfach wirtschaftlicher.“

Der Brandenburger CDU-Kandidat für die Europawahl winkt ab, das Problem liege woanders: „Egal ob Milch, Eier oder Fleisch – die Großhandelsketten haben mittlerweile eine gefährliche Marktmacht.“ Die Situation gleiche einem Kartell. Daran müsse etwas geändert werden, sagt Ehler und verspricht, das Thema mit nach Brüssel zu nehmen.

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