
© David Heerde
Potsdam-Mittelmark: „Wir haben ein Alkoholproblem“
Stahnsdorfs erster und einziger Streetworker hat gekündigt – er hinterlässt eine Analyse der Jugendszene
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Stahnsdorf - Nach drei Monaten im Amt hat Stahnsdorfs erster und einziger Streetworker die Segel gestrichen. Frank Nossack hat gekündigt. Was er der Kommune hinterlässt, ist seine Analyse der Stahnsdorfer Jugendszene. In dem Bericht, der den PNN vorliegt, warnt Nossack vor einem „riskanten Alkoholkonsum“ in der Szene. Cannabis stehe bei den Jugendlichen an erster Stelle der illegalen Drogen. Auch Ecstasy und Amphetamine würden geschluckt, berichtet Nossack von seiner Arbeit.
Ob die von einem neuen Streetworker weitergeführt wird, ist allerdings offen. Aktuell wird in den Gemeindegremien um Nutzen und Kosten eines neuen Streetworkers gestritten. Am Dienstagabend sprachen sich die Mitglieder des Sozialausschusses mehrheitlich für eine Neubesetzung der Stelle aus.
Genügend Arbeit würde es für einen neuen Streetworker wohl geben: „Viele Kinder und Jugendliche sind gerade am Nachmittag allein zu Hause“, beschreibt Frank Nossack in seinem Bericht. Häufig würden sie ihre Freizeit an öffentlichen Stellen im Ort verbringen. Alternative Freizeitangebote seien nicht ausreichend vorhanden, ein Treffpunkt fehle, der einzige Jugendclub im Ort sei zu unattraktiv, „da verregelt“, mahnt Nossack.
Sorge bereitet dem Streetworker die Zahl der Scheidungskinder im Ort. „Mangelhafte schulische Leistungen, Neigung zur Gewalt sowie riskante Konsum-Muster bei Alkohol und Drogen“, seien festzustellen. Viele Stahnsdorfer Jugendliche seien durch ihre arbeitenden Eltern finanziell gut gestellt. Das Taschengeld würde aber oft in Zigaretten und Alkohol umgesetzt. „In den Gruppen wird regelmäßig von fast allen Alkohol getrunken“, so Nossack. Eine Drogenszene im Sinne von hartem Konsum gebe es nicht. Dennoch würden Cannabis, Ecstasy und Amphetamine die Runde machen.
Bestärkt von der Analyse des Sozialpädagogen setzte sich Stahnsdorfs Sozialausschusschefin, Regina Schwarz (Bürger für Bürger), am Dienstagabend für eine Ausschreibung der Stelle ein. „Wir haben in Stahnsdorf eine heftige Szene“, sagte Schwarz. „Wenn man abends durch bestimmte Ortsteile marschiert, trifft man immer auf Jugendliche mit Bierflasche in der Hand. Wir haben hier ein Alkoholproblem“, sagte Schwarz. „Wir müssen jetzt Prävention betreiben.“
Schwarz schlug vor, gemeinsam mit Teltow einen Streetworker zu beschäftigten. Ihr Fraktionskollege Karsten Jänicke stimmte ihr zu: Den Streetworker infrage zu stellen, wäre falsch. Die Stelle sollte wieder besetzt, das Geld nicht eingespart werden. „Wenn die Kämmerin kündigen würde, hätte wir auch keine Diskussion um eine Stellenneubesetzung“, argumentierte Jänicke.
Angesichts der angeschlagen Haushaltslage der Gemeinde, müsse man aber Prioritäten neu setzen, forderte Karin Steingräber (Wir Vier). „Wir haben in den Ortsteilen nicht mal Geld für einen neuen Spielplatz“, mahnte sie. Auch Dietrich Huckshold (Wir Vier) forderte, statt eines neuen Streetworkers, das Angebot des Stahnsdorfer Jugendclubs Clab auszubauen. Sozialfachdienstleiterin Anja Knoppke widersprach: „Der Streetworker soll gerade die Jugendlichen erreichen, die nicht in den Jugendclub gehen.“
Wie Bürgermeister Bernd Albers (BfB) gestern sagte, soll nach dem Sozialausschuss auch der Finanzausschuss über die Stellen-Ausschreibung beraten. In letzter Instanz könnten die Gemeindevertreter im März über eine Neubesetzung entscheiden. Tobias Reichelt
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