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Potsdam-Mittelmark: „Wir machen weiter, bis sich die Post bewegt“
Die Situation in den Brief- und Paketzentren spitzt sich zu. Post muss in Zelte und Container ausgelagert werden und bleibt liegen
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Stahnsdorf - Wenn der Postmann gar nicht mehr klingelt, liegt das derzeit am Poststreik. Briefe und Pakete werden nur noch verzögert ausgeliefert, in den Briefzentren stapelt sich die Post. Wie lange ein Empfänger auf Briefe und Pakete wartet ist regional unterschiedlich. „In der Potsdamer Region ist es besonders schlimm, es stapelt sich immer mehr Post“, sagt Jörg-Peter Malle, freigestellter Betriebsrat der Deutschen Post und zuständig für Brandenburg.
Wie etwa einhundert andere Streikende steht Malle am gestrigen Freitag vor dem Eingangstor des Briefverteilzentrums in Stahnsdorf. Sobald ein gelber Lkw der Post das Gelände verlässt, ertönt ein Trillerpfeifenkonzert. Der Duft von Gegrilltem liegt in der Luft, ein Pavillonzelt bietet ein wenig Schutz vor Regen und Sonne. „Wir machen uns das hier so gemütlich, wie es eben geht“, sagt Ute Kruse. Sie fährt im Stahnsdorfer Briefzentrum Gabelstapler. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen: Zur Mittagszeit ist Schichtwechsel bei den Streikposten. „Wir wechseln die Schichten hier, als wenn wir arbeiten gehen würden“, sagt Kruse. Die Streikposten trinken Kaffee und reden über die Arbeit, die sie zurzeit niedergelegt haben. Unbefristet, seit knapp drei Wochen. Ab und zu kämen Menschen vorbei und sagen ein paar unterstützende Worte. „Wir bekommen überwiegend positive Signale aus der Bevölkerung“, meint Betriebsrat Malle.
Viele Kunden sind durch den unbefristeten Streik betroffen. Briefe kommen verspätet oder gar nicht an, Pakete lagern tagelang in den Zustellzentren, bis sie ausgeliefert werden. „Den gesamten 14er-Bereich der Postleitzahlen bearbeiten wir“, sagt Staplerfahrerin Kruse. Dazu gehören Teile Berlins, Potsdam, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming, das Havelland und Brandenburg an der Havel.
In der Region sind Verdi zufolge 2 500 Postmitarbeiter in den Ausstand gegangen. Nach Angaben der Gewerkschaft befinden sich bundesweit 32 500 Beschäftigte der Deutschen Post im unbefristeten Arbeitskampf. Dadurch komme es bei der Bearbeitung und Zustellung von Briefen und Paketen bundesweit zu erheblichen Rückstaus. Laut Deutscher Post werden bundesweit jedoch 80 Prozent der Briefe und Pakete zeitgerecht ausgeliefert.
Die Streikenden vor dem Briefzentrum in Stahnsdorf bezweifeln das. Denn mittlerweile werden offenbar die Lagerkapazitäten knapp. „In Börnicke haben sie neben die Halle ein Zelt aufgestellt, um die Pakete dort zu lagern“, sagt Jörg-Peter Malle. In dem havelländischen Ort in der Nähe von Nauen befindet sich ein DHL-Paketzentrum für die Region. Wann ein Paket in ein Zustellfahrzeug geladen werde, sei zurzeit völlig unklar. In den Zentren selbst werde, laut Ute Kruse, zwar weiterhin gearbeitet, jedoch mit Aushilfskräften, was sich auf die Qualität der Arbeit auswirke. „Die Sendungen werden unqualifiziert gestapelt und können kaputt gehen“, meint Kruse.
Vor dem Briefzentrum in Stahnsdorf bahnt sich der Schichtwechsel an. „Wir stehen hier jeden Tag, um ein Zeichen zu setzen“, sagt die Gabelstaplerfahrerin. „Immerhin geht es um unsere Arbeitsplätze.“ Der Grund für den Streik ist der Tarifkonflikt, bei dem es um die Bezahlung und die Arbeitszeit für bundesweit rund 140 000 Beschäftigte geht. Der Konflikt spitzte sich zu, als die Deutsche Post Anfang des Jahres 49 Regionalgesellschaften für die Paketzustellung gründete. 6000 dort beschäftigte Paketboten werden nicht nach dem Haustarif der Post bezahlt, sondern bekommen die niedrigeren Löhne der Logistikbranche. Verdi will erreichen, dass sie wieder nach dem Posttarif bezahlt werden.
Dass der Ausstand vor allem die Kunden trifft, ist den Stahnsdorfer Streikposten bewusst. „Die Kollegen befinden sich in einem extrem starken Zwiespalt und haben mit Gewissensbissen zu kämpfen“, sagt Betriebsrat Malle. Gleichzeitig kenne man keine Schmerzgrenze beim Streik. „Wir machen weiter, bis sich die Post bewegt.“ Bewegen wird sich auf dem Postweg vorerst nicht so viel. „Ich habe schon vor zwei Wochen nichts mehr über DHL bestellt“, sagt Malle. „Jetzt staut sich alles an.“
Wer noch Post im Briefkasten findet, hat sie womöglich vom verbeamteten Postmitarbeiter bekommen. Die Beamten dürften nicht streiken, erklärten sich Malle zufolge aber überwiegend solidarisch mit den Streikenden. Wer auf Post wartet, kann nichts tun außer warten. Zuständig für die rechtzeitige Zustellung ist der Versender, sagt Juristin Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg. Beim Versand von Paketen sollte man eher auf private Dienste setzen.
Björn Stelley
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