
© Bildband Beelitz
Potsdam-Mittelmark: Wo die Beelitzer auf Brautschau gingen
Bildband über das städtische Leben zu früheren Zeiten erschienen – mit hohem Wiedererkennungswert
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Beelitz - Einmal im Jahr gingen die Herzen auf Hochbetrieb in Beelitz: Immer im Frühling, als der Spargel erst ein Stückchen aus der Erde schaute, wurde der Jugendmarkt abgehalten. Offiziell kam man her, um sich bei den fahrenden Händlern mit Mode oder Haushaltswaren zu versorgen. Doch wer noch ungebunden war, hielt auch Auschau nach einem geeigneten Partner. „Bekiekemarkt“ nannten die Bürger spöttisch das Spektakel, und auf einem Foto von 1937 ist zu sehen, wie sich junge Leute durch die Gassen schieben und dabei verträumt lächeln.
Über 200 alte Fotos aus der Zeit von 1885 bis 1980 sind jetzt in einem Bildband veröffentlicht worden. „Beelitz“, so der sparsame Name des reichhaltigen Buches, zeigt nicht nur starre Gebäude oder schöne Natur, sondern vor allem Menschen. „Wir wollten das Leben in der Stadt zeigen“, sagt Manfred Fließ, der zusammen mit Uwe Schneider das Werk zusammengestellt und die Fotos mit informativen Bildtexten angereichert hat. Die beiden Mitglieder des Beelitzer Heimatvereins konnten für ihr Buch auf ihr eigenes Archiv, aber auch auf die Privatsammlungen vieler Beelitzer zurückgreifen. Es habe bereits viele Rückmeldungen gegeben von früheren Einwohnern, die sich auf den Fotos wiedererkannt haben.
Die Herausgeber haben ihr Werk in fünf Abschnitte gegliedert. Der erste dreht sich um das „Gemeinwohl der Stadt“ und rückt verdiente Beelitzer in den Fokus. Dazu gehören die Bürgermeister: Gustav Nürnberg, der in seiner Amtszeit von 1895 bis 1909 die Elektrizität nach Beelitz brachte, für neue Wohnungen sorgte und die Landesversicherungsanstalt Berlin überzeugte, ihre Lungenheilstätte im Beelitzer Forst zu errichten. Die Bauarbeiten sind ebenfalls fotografisch dokumentiert. Und Robert Tiedemann, der von 1919 bis 1932 die Geschicke der Stadt lenkte und Beelitz zu einem kulturellen und wirtschaftlichen Mittelpunkt in der Region machte – durch die Gründung von Vereinen, durch die Förderung des Hotel- und Gaststättenwesens und die touristische Entwicklung. Auch Spargelpionier Carl Herrmann ist in dem Buch zu sehen und der umtriebige Ehrenbürger Robert Kliemchen, Begründer und Herausgeber der Beelitzer Zeitung, Stadtrat, Kirchenältester und vieles mehr.
Das Kapitel „Wachsen und lernen“ dreht sich um den Nachwuchs, der sich an der Nieplitz schon immer besonders wohl zu fühlen schien. Alte Fotografien zeigen Kinder beim Sackhüpfen, beim Rollerrennen oder beim Spielen in den Straßen der Stadt. „Neben dem Spaß war der Ernst des Lebens aber nicht weit“, konstatieren die Autoren und zeigen Bilder aus dem preußischen Klassenzimmer oder beim LPG-Ernteeinsatz ein halbes Jahrhundert später.
Im Kapitel „Arbeit und Beruf“ zeigt sich dann, wie eng Landwirtschaft und Handwerk in der Ackerbürgerstadt zusammenhingen – und dass es bis heute Kontinuitäten gibt: Ein Bild von der Bockwindmühle des Müllers Bernau an der Trebbiner Straße, die sich nach ihrer Sanierung vor fünf Jahren heute wieder dreht, ein Foto von Schuster Riese – vermutlich aus den 1930ern – mit Gesellen vor dem Geschäft in der Mühlenstraße, in dem seit diesem Jahr der Schumacher Eberhard Chabrowski wieder Ware zur Reparatur annimmt. Und auch die Ernte des Beelitzer Hauptanbauproduktes läuft heute im Wesentlichen so ab wie früher: Ein Foto zeigt Spargelstecher, wie sie mit den langen Messern gebückt an den Reihen stehen und mühsam die Körbe füllen.
Auch das Vereinsleben im vergangenen Jahrhundert haben die Autoren reich bebildert. So prosten um 1926 die Mitglieder des Kegelklubs „Fix-Fax“ dem Fotografen zu, um 1920 posiert die Frauenturnriege im Schützenhaus in der Brücker Straße. Und auf einem Foto von 1900 sieht man ein Gewimmel in der Berliner Straße anlässlich der Sport- und Spielstätten – einem damals regelmäßig stattfindenden Wettkampf.
Am Ende gewährt der Bildband auch Einblicke in das Privatleben der Beelitzer. Gezeigt werden Familien- und Hochzeitsfotos sowie Alltagszenen aus der Stadt – wobei ins Auge fällt, dass man früher selbst zum Herrentag nur in Krawatte und Anzug das Haus verließ. Es sind auch kuriose Dinge zu sehen: Aus dem Fenster der Wirtschaft Wernicke (heute befindet sich in dem Haus die Sparkasse) schaut neben fröhlichen Beelitzern auch ein Pferd aus dem Fenster. Planschende Kinder im Mühlenfließ, eine Spritztour mit der Liebsten auf dem Motorrad oder ein Abend am Klavier – ein bisschen Sehnsucht wird wach nach den vergangenen Zeiten im alten Beelitz. Aber dann kommt die Erkenntnis, dass hier auch vieles beim Alten geblieben ist.
„Beelitz“, erschienen im Sutton-Verlag, ist für 18,95 Euro im Handel erhältlich.
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