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Frauenpower im Rathaus. Bürgermeisterin Hoppe mit ihren Fachbereichsleiterinnen Simone Wieteck-Barthel, (l.), Ute Lietz (2.v.l.) und Kerstin Murin (r.).

© Andreas Klaer

Potsdam-Mittelmark: Wo Frauen das Sagen haben

Seit Jahren bestimmen sie die Geschicke der Gemeinde: Im Rathaus Schwielowsee sind alle Chefposten von Frauen besetzt. Über Führungsstil, Anerkennung und Zickigsein – ein Besuch im Fercher Rathaus

Von Eva Schmid

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Schwielowsee – Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) hat ihre Fachbereichsleiterinnen zu sich bestellt. Alle zwei Wochen ist Verwaltungskonferenz im Obergeschoss des Fercher Rathauses. Neben aufgetürmten Unterlagen stehen Tassen mit Tee. Geht es turbulenter zu, dann schweift der Blick hinaus aufs Wasser, das beruhigt. Seit Jahren haben in Schwielowsee vier Frauen das Sagen – eine Seltenheit in deutschen Verwaltungen.

„Wir diskutieren, lachen und weinen miteinander“, sagt Kerstin Hoppe. Auch zickig sei man manchmal, fügt Hoppes Stellvertreterin, Ute Lietz hinzu. Lietz ist am längsten dabei: 1988 wurde sie Gemeindedirektorin in Ferch. Als 1992 Ferch, Caputh und Geltow zum Amt, später zur Gemeinde Schwielowsee fusioniert wurden, übernahm die ehemalige Handelsbereichsleiterin der DDR-Handelsgenossenschaft Konsum den Job der Kämmerin. Das ist sie bis heute.

Auch ihre Kollegin, Kerstin Murin, ist seit Anfang der 90er-Jahre dabei und seither Bauamtsleiterin. 2003 kam Kerstin Hoppe dazu. Mit damals 38 Jahren war sie die jüngste Bürgermeisterin in Brandenburg. Die Vierte im Bunde: Simone Wieteck-Barthel, zuständig für alle Bereiche, die das Bauamt und die Kämmerei nicht abdecken, stieß vor knapp zehn Jahren zum Team. Was im Fercher Rathaus Normalität zu sein scheint, ist äußerst selten. „Ich kenne keine andere Kommune in Brandenburg mit so einem hohen Frauenanteil in Führungspositionen“, sagt die Sprecherin des Frauenpolitischen Rates Brandenburg, Heidrun Szczepanski. Das sei ziemlich einzigartig, habe Brandenburg doch eigentlich Nachholbedarf bei Frauen in Spitzenpositionen.

Tatsächlich liegt der Anteil der Bürgermeisterinnen und Amtsdirektorinnen im Land bei rund 18 Prozent. Der Landkreis Potsdam-Mittelmark mit seinen vier Bürgermeisterinnen in Schwielowsee, Nuthetal, Werder (Havel) und Bad Belzig sowie einer Amtsdirektorin in Wusterwitz kommt auf einen doppelt so hohen Anteil. Mit Oder-Spree gehört Mittelmark zu den Ausreißern im Land. Schaut man sich die Zahlen für ganz Deutschland an, steht Brandenburg im Vergleich nicht schlecht da – in Kommunen mit 10 000 bis 50 000 Einwohnern liegt der Schnitt bei weniger als zehn Prozent.

„Man merkt vor allem den Unterschied zu den alten Bundesländern“, sagt Kämmerin Ute Lietz. „Bei uns gab es keine Beamtenlaufbahn, bei uns ist es damals ad hoc losgegangen.“ Ihren Job im Amt Schwielowsee wollte sie eigentlich nur für kurze Zeit machen. „Aber dann war in den Anfangsjahren nach der Wende so viel zu klären.“ Die Verwaltung aufzubauen habe so viel Spaß gemacht, dass sie dann doch blieb. Kerstin Hoppe erinnert sich, wie unbefangen sie damals das Amt der Bürgermeisterin antrat. Zwar nahm sie Seminare zur Haushaltsführung, arbeitete sich im Selbststudium Verwaltungs-Know-how an. „Aber hätte ich damals gewusst, wie viel als Kommune nicht in unserer Hand liegt“, sagt Hoppe und stoppt. Sie wäre wohl in ihrem Elan gebremst worden.

Heute sind die vier Frauen ein eingespieltes Team, jede weiß um das zähe Ringen, Dinge voranzutreiben. Der gelernten Bauingenieurin Hoppe fällt es heute noch schwer, zu akzeptieren, dass nicht immer alles schnell gelöst werden kann. „Ich war aus der Wirtschaft gewohnt, Entscheidungen durchzusetzen. Hier musste ich lernen, nicht mehr alleine entscheiden zu können.“ Hoppe schaut dabei ihre Stellvertreterin Lietz an, beide nicken.

„Unser Ziel ist es, Beschlüsse mit großer Mehrheit zu fassen“, sagt die Bürgermeisterin. Damit das gelingt, haben die Frauen an der Rathausspitze ihren eigenen Führungsstil entwickelt. „Wir versuchen, mit Augenmaß nach vorne zu gehen und wollen die Leute mitnehmen“, sagt Hoppe. Nicht den Ärger vorprogrammieren, sondern ihn raushalten, sagt Lietz. Das Frauenteam habe über die Jahre gelernt, Beschlussvorlagen so vorzubereiten, dass sie meist durchgehen.

Dafür geht die Bürgermeisterin in alle Ortsbeiräte und Fachausschüsse, sie wolle präsent sein, sagt Hoppe. „Um ein Gefühl für die Stimmung, die unterschiedlichen Sichtweisen zu bekommen.“ Schon öfter wurde ihr dazu – von Männern – gesagt, dass sie es doch gar nicht mehr nötig habe, überall dabei sein zu müssen. Durch Zuhören werde die Arbeit oft leichter.

Ist der Führungsstil im Fercher Rathaus nun sehr weiblich? Nein, sagt Alexander Knoth vom Lehrstuhl für Geschlechtersoziologie an der Universität Potsdam. „Diese Arbeitsweise zeigt vielmehr einen hohen Organisations- und Koordinierungsgrad und zeugt von Professionalität.“ Während Bürgermeisterinnen wie Hoppe auf Präsenz setzen, würden männliche Kollegen „eher nach dem Ausschuss in die Kneipe kommen oder einen Kollegen anrufen um zu erfahren, was passiert ist.“

Um die Anerkennung von Männern mussten die Frauen an der Rathausspitze nicht kämpfen. Das liege vermutlich auch an ihrer Durchsetzungskraft, die man für diesen Job haben müsse, so Hoppe. „Wir sind als Frauen nie angezweifelt worden und wenn dann nur ein Einzelfällen“, sagt Kämmerin Lietz. Darüber schaue sie hinweg, „denn das hat meist etwas mit dem Charakter der Person zu tun.“

Lietz klappt selbstbewusst den Deckel ihres Aktenordners zu, trinkt den letzten Schluck Tee aus der Tasse und schaut in die Runde. Im Schwielowsee spiegelt sich die Sonne, die Besprechung ist beendet. Eva Schmid

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