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KulTOUR: Wo man stolpert, ist auch ein Weg

Vom TV auf die Bühne zurück: Julia Richter und Thomas Schmuckert in Beelitz

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KulTOURVom TV auf die Bühne zurück: Julia Richter und Thomas Schmuckert in Beelitz Beelitz - Letztlich sind es Bretter doch, welche „Welt“ bedeuten, nicht der Film. Alle Schauspieler, die auf sich halten, kehren dorthin zurück, es ist ihre Heimat. Julia Richter und Thomas Schmuckert, zwei „bekannte Fernsehgesichter“, hielten es nicht anders, als sie am Freitag mit ihrem literarisch-musikalischen Programm „Lebens-Akt im Stolper-Takt“ in Beelitzens „Spargelperle“ auftraten, dem offiziellen Festsaal der Stadt. Man hörte gar, dass sie sich dafür besonders gut vorbereitet hätten. Wer im Gästebuch des Vereins der Freunde und Förderer der Künste in Beelitz blättert, findet ohnehin viel Lobenswertes zu Veranstalter und eben diesem Saal. Seine Bühne dankt jetzt einem edlen Spender den schwarzen Hintervorhang, immer gut für alles Theatralische. Wie würden es die beiden „Filmer“ mit der neubetuchten Tiedemann-Bühne halten? Zögerlich zuerst, nachdem ihr Pianist Dieter Himmer („Ich bin das Vorspiel!“) am E-Piano einen zünftigen Ragtime hingelegt hatte. Lange Zeit erster Kapellmeister und Chefdirigent am Berliner Friedrichstadtpalast, begleitete er das so unterschiedliche, aber gut eingespielte Pärchen durch die stolpernd-holprigen Lebenswege des alltäglichen Alltags. Man bot Rezitation, Songs und hübsche Sketche aus der Feder von Roth, Hacke, Schnurre, Kreisler und anderen Kleinkunst-Größen, zum Beispiel mit der Frage, warum Toaste immer mit der Marmeladenseite auf dem Fußboden landen oder eine Warteschlange immer da am längsten ist, wo man sich selber anstellt. Absurditäten solcher Art sind Lebenserprobung für jedermann, und so war es meist vergnüglich, den zurückhaltenden, fast schüchternen Vorträgen der beiden Künstler zu folgen: Etwa 50 saßen bei Kerzenschein und Wein im Parkett zu Tische. Jeden Stolperer tunlichst vermeidend, eröffnete Thomas Schmuckert diesen Abend mit dem Bericht seines literarischen Alter ego über Steißgeburt und glückliche Kindertage, von den Hamstern Paul und Egon, die ihr Leben verloren, weil sie mit demselben nicht länger zufrieden waren: „Aber die Hoffnung stolpert als letzte“. Zusammen mit Julia Richter schnurrte man „Ich hasse Tangas“ im Tangoschritt ab, verhäkelte sich in der an Loriot erinnernden Szene beim Mantelkauf an ihrer unschlagbar weiblichen Logik. Er murkste mit Kreisler all seine Damen zu Tode, sie sang den Kleptomanensong „Haben, haben, haben!“. Ein sinniges und unterhaltsames Abendprogramm normaler Länge, dem man bis in die zungenbrechende Absurdität eines Lageberichts der Steinbruchberufsgenossenschaft gerne folgte. Hier ging es nämlich um die Frage, warum Stolperunfälle im Bruch mit Abstand die höchsten Kosten verursachten. Das lief alles sehr gut, zumal sich die beiden günstig ergänzten: Der Herr liebt warme Töne und den eher direkten Ausdruck, die Dame gab sich mädchenhaft keck mit deutlichem Hang zur Lakonik. Man sah’s mit Freuden, als er sich im Zwiegespräch mit seinem alten Kühlschrank befand, den sie mit seufzender Trauer („Der Kompressor drückt so!“) abgrundtief darstellte. Die Sache wäre aber weislich runder geworden, wenn man eine Brücke zum Publikum gesucht hätte, denn der frei gewählte Abstand nach unten war zu spüren. Wirkliches Feuer gab’s erst kurz vor dem Finale, als man sich beim Pfeifen ins Lachen verlor, eine sympathisch-erheiternde Situation. Aber wo man stolpert, ist schließlich auch ein Weg, per aspera ad astra! Viel Beifall und eine Zugabe für diesen taktvollen Abend.

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