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Potsdam-Mittelmark: Wo Tesekendorf sein Brot gebacken hat

Archäologen legten an der Straßenbaustelle Ferch-Petzow Spuren eines Orts aus dem 14. Jahrhundert frei

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Werder (Havel) - Auf dem Weg zwischen den Kähnen am Schwielowsee und den Hütten mit dem Kirchlein auf der Anhöhe, da stand der Backofen von Tesekendorf. Alle Familien buken hier ihr Brot. Bei den Straßenbauarbeiten zwischen Petzow und Ferch wurden Spuren des mittelalterlichen Ortes gefunden. Archäologen buddelten am Straßenrand einen in großen Teilen erhaltenen und außergewöhnlich großen Lehmbackofen aus, der wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert stammt, wie Grabungsleiter Thomas Langer gestern gegenüber den PNN erklärte. „Das ist ein Fund, wie man ihn vielleicht alle zwanzig Jahre einmal hat.“

Und damit nicht genug: In den Grabungsschichten unterhalb des Ofens lässt sich anhand von Scherben nachweisen, dass sich hier schon viele Tausend Jahre Menschen niederließen. Langers Team fand Scherben nicht nur aus dem Mittelalter, sondern auch aus der Stein- und Bronzezeit und aus der Zeit der slawischen Besiedlung. „Wir bekommen am Böschungsrand der Straße in 30 Metern Länge einen Einblick in 5000 Jahre Geschichte“, sagte Langer. Das sei spektakulär.

Der Lehmbackofen aus dem 14. Jahrhundert hatte im Grundriss eine Ellipsenform, war etwa 6 Meter lang und 4,50 Meter breit. Die Öffnung des Ofens befand sich auf der Seeseite. Die etwa 1,30 Meter hohe Kuppel wurde durch Baumwurzeln gesprengt. Im Fundament waren Feldsteine verbaut. Thomas Langer hat Größe, Standort und Baumaterialien genauestens dokumentiert. Wie solche Öfen im Mittelalter ausgesehen haben, wie die Backstellen mit einem Schleppdach geschützt waren, sehe er jeden Tag auf einem Bild von Pieter Bruegel d. Ä. von 1559, von dem eine Kopie in seiner Wohnung hängt, sagt Langer. „Dass ich so einen Ofen mal ausgrabe, hätte ich nie gedacht.“ Gestern noch wurden sogar Spuren gefunden, die ein Hinweis auf einen zweiten, noch älteren Backofen an dem Standort sein könnten.

Dass kurz hinter Petzow auf der Anhöhe in Richtung Ferch einmal eine Ansiedlung existiert hat, war seit Langem bekannt. Es war einer der Gründe, warum die Baustelle archäologisch begleitet wurde. Langer erzählt, dass schon vor etwa hundert Jahren beim Tiefpflügen Skelette gefunden wurden – offenbar vom früheren Dorffriedhof. Tesekendorf wurde laut Langer im Jahr 1195 erstmals erwähnt. In einem Dokument von 1375 wird es dann als wüste Dorfstelle beschrieben. „Die Mönche des Lehniner Klosters, die das Dorf einmal verwaltet hatten, kannten nicht einmal mehr die Hufgrößen“, so Langer.

Schon zuvor bestand im Umfeld eine slawische Siedlung mit dem Namen Priscere. Dass sich der Ortsname auf Tesekendorf änderte, sei ein Beleg für den wachsenden Zuzug deutscher Siedler in die Zauche, wie es in der „Geschichte des Klosters Lehnin“ von Stephan Warnatsch (Lukas Verlag 2000) heißt. Der Berliner Mittelalter-Historiker Winfried Schich führt den Namen Tesekendorf darauf zurück, dass ein Slawe, Tesek, an der Neugründung oder Umstrukturierung maßgeblich beteiligt war.

Das hält auch Thomas Langer für wahrscheinlich. Er hat selbst zum Mittelalter im Fläming geforscht, erzählt, wie die beiden ersten Markgrafen von Brandenburg, Albrecht der Bär und sein Sohn Otto I., nach 1157 begannen, die Mark zu christianisieren und zu besiedeln. Der Adel machte mit. Kolonisten kamen unter anderem aus Flandern, der Altmark oder Westfalen. Sogenannte Lokatoren lockten sie nach Brandenburg und bekamen im Gegenzug herausgehobene Stellungen, etwa als Lehnschulze.

Die neuen Dörfer waren keine ungeordneten Haufen mehr, sondern geradlinig angeordnet. Damals seien die Straßen- und Angerdörfer entstanden, deren Struktur auch heute vielerorts in der Region nachzuvollziehen sei, so Langer. Die Kirche dürfte natürlich nicht fehlen. Die Siedlungsdichte sei enorm gewesen, allein im Fläming habe es alle 1,2 bis 1,5 Kilometer ein Dorf gegeben.

Kleinere Backöfen aus dieser Zeit werden öfter mal ausgegraben. Warum der Ofen von Tesekendorf solche Ausmaße hatte, ist unklar. Möglicherweise war der Ort sehr groß oder es buken auch Nachbardörfer hier ihr Brot. Petzow wurde wahrscheinlich später gegründet, 1419 wurde das Dorf erstmals erwähnt. Da gab es Tesekendorf schon Jahrzehnte nicht mehr. Die Antwort auf die Frage, warum es verlassen wurde, kann auch der Ofen nicht geben. „Wir reden von einem Puzzle mit 500 Teilen, von dem wir 20 haben“, sagt Archäologe Uwe Schönfelder, der die Grabungen begleitet.

Immerhin weiß man, dass im 14. Jahrhundert ein Wüstungsprozess stattfand, von dem wohl auch die Zauche-Region betroffen war. 50 bis 60 Prozent der Dörfer in Brandenburg verschwanden von der Bildfläche. Durch die beginnende kleine Eiszeit, die damit verbundene Agrarkrise, die Konkurrenz zu den Städten und durch die Pest seien viele Dörfer aufgelöst worden, sagt Langer. Die wüsten Dorfstellen wurden teilweise später als Vorwerke wiederbelebt. „Möglicherweise haben die Lehniner Mönche Tesekendorf mit einem anderen Ort zusammengelegt“, überlegt er.

Der Ofen mag noch jahrelang eine Landmarke in der damals baumlosen Landschaft an der alten Landstraße gewesen sein, bevor er mit den Jahren vom Flugsand verborgen wurde. Er wird jetzt abgetragen, wichtige Funde werden gesichert. Die Ausgrabungen laufen seit fünfeinhalb Wochen und das Grabungsteam hat nur noch zehn Tage Zeit, alles zu erfassen. Dann müssen die Straßenbauarbeiten fortgesetzt werden und die Fundstelle wird größtenteils der neuen Straßenböschung weichen, bedauert Langer. Die Dokumentation wird dem Landesamt für Denkmalpflege übergeben und kann dort für wissenschaftliche Forschungen eingesehen werden.

Wenn in zwei oder drei Jahren in Petzow die Straße saniert werden soll, wird es weitere Grabungen geben – sie könnten, glaubt Thomas Langer, noch richtig spannend werden.

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