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Als Braten ungeeignet. Die mittlerweile 25-jährige Weihnachtsgans Auguste auf dem Arm von Filmtiertrainer Michael Schweuneke in Marzahne.

© Georg-Stefan Russew/dpa

Potsdam-Mittelmark: Wohnrecht auf Lebenszeit

Fernsehstar Auguste schnattert schon seit 25 Jahren – für andere Weihnachtsgänse ein biblisches Alter

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Potsdam-Mittelmark - Und sie schnattert immer noch – die Weihnachtsgans Auguste: Mehr als 22 Jahre nach ihrer Hauptrolle im gleichnamigen DDR-Film flattert sie über den Hof der Filmtierschule Schweuneke bei Brandenburg/Havel. Auch dieses Fest wird ihr keine Feder gekrümmt. Dick und rund watschelt die schneeweiße Gans schnatternd in ihrer Box herum. Hier noch ein Körnchen gefuttert, da sich ein Salatblatt hereingestopft. Normalerweise würde man so einem prächtigen Federvieh in der Weihnachtszeit keine großen Überlebenschancen einräumen. Doch ein Ende als Festtagsbraten ist definitiv ausgeschlossen. Sie ist eine Berühmtheit und hat die Hauptrolle im DDR-Kinderfilm „Weihnachtsgans Auguste“ 1988 gespielt. Schon im Fernsehen hat sie mit ihrem Charme alle Versuche abgewehrt, als Weihnachtsschmaus zu enden. „Gustje hat Wohnrecht bei mir auf Lebenszeit“, sagt Tiertrainer Michael Schweuneke.

Der 41-Jährige betreibt im mittelmärkischen Ort Marzahne eine Filmtierschule. Sein Vater hatte diese 1978 gegründet. „Unser Tierangebot reicht von A wie Affe bis Z wie Zebra.“ Mehr als 80 Arten hält er in einem eigenen Tierpark. Seine Tiere haben schon mit Weltstars wie Jackie Chan, Jude Law oder Armin Mueller-Stahl gespielt. Auch in großen deutschen Fernsehproduktionen wie „Die Flucht“ oder „Die Gustloff“ übernahmen Schweunekes Schützlinge die tierischen Parts.

Auguste, die eigentlich ein August ist, gehört zu den ersten wirklichen Stars der Filmtierschule aus Potsdam-Mittelmark. „Der Ganter ist 1987 bei uns geschlüpft.“ Insgesamt vier Hausgänse sind per Brutkasten für das Kinderfilmprojekt herangezüchtet worden. „August hat sich am besten gemacht.“ Außerdem könne man vor der Kamera gar nicht erkennen, ob es sich um einen Ganter oder eine Gans handle.

Im Film will Opernsänger Ludwig Löwenhaupt seiner Familie zu Weihnachten einen fetten Festbraten servieren. Hierzu kauft er eine Gans, die im eigenen Keller gemästet werden soll. Was er aber nicht ahnt, ist, dass seine Kinder die Gans „adoptieren“, sie auf den Namen „Gustje“ taufen. Letztlich endet das Federvieh nicht im Bratofen, sondern wird zum Haustier der Löwenhaupts.

Wie im Film ist der Original-Auguste keine Feder gekrümmt worden – inzwischen seit 25 Jahren. „30 Jahre und mehr sind als Gans in Haustierhaltung durchaus möglich“, sagte Karl-Heinz Heller vom Schlachtbetrieb Dithmarscher Geflügel aus Neuseddin (Potsdam-Mittelmark). Für „normale“ Weihnachtsgänse ist dies ein nahezu biblisches Alter. „Im Durchschnitt werden sie nur 16 bis 24 Wochen alt. Dann sollten sie als Festtagsbraten auf die Tische“, sagt Heller.

Nach Schätzungen von Anika Folgart, Geschäftsführerin des Geflügelwirtschaftsverbandes Brandenburg, gibt es in der Mark einen Gänse-Dauerbestand von 60 000 Vögeln. Nach Berechnungen des Marktinformationsdienstes reicht die Preisspanne für frisches Gänsefleisch in dieser Weihnachtssaison von 9,90 bis 13,70 Euro je Kilogramm. Die Standardweihnachtsgans bringe es auf 7,5 Kilo, so Folgart.

Der Dithmarsche Geflügelbetrieb mit Sitz in Neuseddin schlachtet und vermarktet Gänse und Enten aus kontrollierter „Bäuerlicher Freilandhaltung“. Jährlich kommen 200 000 Gänse dieser extensiven Haltungsform, davon etwa 23 000 von Brandenburger Mästern, aus Neuseddin auf den weihnachtlichen Festtagstisch. Aktuell werden in Brandenburg nach einer Umfrage des Landwirtschaftsministeriums in 33 Betrieben Gänse gehalten. Kleinere Bestände werden in dieser Statistik nicht erfasst. Trotzdem hat die Gänsemast in Brandenburg an Bedeutung verloren, denn 1991 betrieben allein fünf Erzeuger Gänsemast in Größenordnungen zwischen 15 000 und 60 000 Stück. Derzeit sei Gänsebraten Brandenburger Herkunft bis auf Weiteres eine vielfach nachgefragte, aber seltene Spezialität, so Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade.

Schwerpunkte der Gänsemast in Brandenburg seien die Landkreise Dahme-Spreewald, Oberspreewald-Lausitz, Potsdam-Mittelmark und Prignitz. Der deutsche Gänsemarkt sei stark auf Importe, vor allem aus Polen und Ungarn, angewiesen. Die Importe betragen ein Vielfaches der heimischen Produktion. Der Selbstversorgungsgrad lag im Jahr 2010 laut Statistik nur noch bei 13,3 Prozent. (mit ldg)

Georg-Stefan Russew

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