Michendorf: Zahlen, widersprechen, abwarten
Was vom Michendorfer Rathaus Bürgern empfohlen wird, die Kanalbeiträge nachzahlen sollen.
Stand:
Michendorf/Nuthetal - Reinhard Mirbach (CDU) fühlt sich derzeit sichtlich unwohl in seiner Rolle als Vorsteher des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Mittelgraben. 3500 Verbandskunden flattern dieser Tage Beitragsbescheide für einen Sachverhalt ins Haus, der längst erledigt schien. Es geht um den Anschluss ans Abwassernetz, für den vor allem in Wilhelmshorst und Michendorf-West in den 1990er- und 2000er-Jahren angeblich zu wenig gezahlt wurde. Als Verbandsvorsteher kann Mirbach nicht anders, als die Kunden zur Kasse zu bitten. Als Michendorfer Bürgermeister empfiehlt er, Widerspruch einzulegen. Gestern lud er mit Vertretern des Betriebsführers des Verbandes, der Mittelmärkischen Wasser- und Abwasser GmbH (MWA), zum Pressegespräch, um das Dilemma zu erläutern.
Worum geht es bei der Nachforderung?
MWA-Geschäftsführer Felix von Streit erklärte, dass nach den Nachwendewirren erst zum 1. Januar 2011 eine wirksame Beitragssatzung im Mittelgraben zustande gekommen sei, vorherige Satzungen wurden im August vom Oberverwaltungsgericht für unwirksam erklärt. Darin galt unter anderem eine unrechtmäßige Tiefenbegrenzung und es wurde die vorhandene, nicht wie vorgeschrieben die mögliche Bebauung für den Kanalanschluss veranlagt. Zwar gilt für Verwaltungsvorgänge eine vierjährige Verjährungsfrist. In Brandenburg wurde aber 2004 im Kommunalabgabengesetz eingefügt, dass sie nicht mit der bezahlten Beitragsrechnung beginnt, sondern erst, wenn eine wirksame Satzung besteht. Die MWA müsse sich daran halten. Bis Ende des Jahres könne fristgerecht nacherhoben werden – und die MWA müsse es in Abwägung zwischen Vertrauensschutz und Gleichbehandlung auch.
Welche Beträge werden gefordert?
Im Mittelgraben-Verband wurden laut MWA die Beiträge von etwa 3900 Kunden falsch berechnet, 3500 davon müssten nachzahlen. Verbandsvorsteher Mirbach etwa wurden 4000 Euro in Rechnung gestellt, dem Vorsitzenden der Verbandsversammlung Gert Sommerlatte 3700 Euro. Einige Kunden kommen mit drei- und vierstelligen Beträgen davon, andere sollen 15 000 Euro zahlen. Rund 400 Kunden bekommen Geld zurück, unterm Strich will die MWA 4,9 Millionen Euro einnehmen. Tut sie das nicht, können gegen Mirbach und die Verbandsversammlung Haftungsansprüche geltend gemacht werden, hieß es. Betroffenen wird die Zahlung auf Wunsch auf zwölf Monate gestreckt – zum monatlichen Zinssatz von 0,5 Prozent. Die Mittelbrandenburgische Sparkasse wirbt vor Ort offensiv mit besseren Lösungen.
Wie sollten sich Betroffene verhalten?
Mirbach und Sommerlatte empfehlen, zu zahlen – und zu widersprechen. Die Gemeinde will fünf Widerspruchsfälle zum Musterverfahren fügen, das die Gemeinde bezahlt. Dann wird geprüft, ob die Forderungen gerichtsfest sind. Mit dem Vorgehen will Mirbach jeden Mauscheleiverdacht ausräumen. Besonders das Thema Verjährung dürfte vor Gericht eine Rolle spielen, und auch, ob der Beitrag von 3,79 Euro pro Quadratmeter richtig kalkuliert ist. Stellt sich etwas anderes heraus, bekommen Betroffene ihr Geld zurück. Widersprüche werden bis dahin „ruhend“ gestellt – soweit Kunden nicht selbst klagen wollen. Die MWA weist darauf hin, dass Kunden selbst bei einem gewonnenen Rechtsstreit auf Säumniszuschlägen sitzen bleiben, wenn sie Beiträge nicht zunächst zahlen.
Was ist bei Eigentümerwechseln?
Bei vielen bestehen nach so langer Zeit neue Eigentumsverhältnisse. Mancher hatte sogar im Kaufvertrag zu stehen, dass der Kanalbeitrag entrichtet ist. Die MWA schickt die Nacherhebungen an Kunden, denen das Grundstück zum Zeitpunkt der ersten gültigen Satzung, also am 1. Januar 2011, gehört hat. Alt- und Neueigentümer müssten gegebenenfalls zivilrechtlich klären, wer zahlen muss.
Wie sieht es im Verband „Der Teltow“ aus?
Im Verband „Der Teltow“ gelten dieselben Rechtsverhältnisse, Betriebsführer ist auch dort die MWA. Allerdings ist der Anschlussbeitrag mit 2,89 Euro moderater, sind Grundstücke oft kleiner. Werden im Mittelgraben seit Oktober Bescheide verschickt, soll es im Teltow nächste Woche losgehen. Dort macht der Verband laut MWA Miese durch die Nachveranlagung. Rund 3000 Nachzahler stehen 5000 Kunden gegenüber, die Geld zurückbekommen. Im Saldo bleiben minus eine Million Euro. Henry Klix
Bei einem Infoabend am heutigen Mittwoch um 19 Uhr im Michendorfer Gemeindezentrum Apfelbaum und am 25. November um 18 Uhr in der Aula der Grundschule „Otto Nagel“ in Bergholz-Rehbrücke können die Verantwortlichen befragt werden.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: