KulTOUR: Ziemlich aufgedreht !
Comédie Soleil in Werder mit „Wally’s Café“
Stand:
Werder (Havel) - Kurz nach Weltkrieg Zwo kaufte der Ex-Soldat Wally mitten in der Wüste, also sechzig Kilometer von Las Vegas entfernt, ein Stück Land, um seiner Frau Louise eine Existenz zu schaffen, sich selbst aber einen Traum zu erfüllen. Die Geschäftsidee im Land der unbegrenzten, wüsten Möglichkeiten: ein Restaurant, das zwar auch „Burger“ herstellen kann wie die Konkurrenz an der Straße vorn, dieselbe aber im Angebot durch ein Extra übertrifft: Schmorbraten! Er ackert und schafft, holt seine junge Gattin Louise nach, aber die Kundschaft bleibt aus! Dafür tippelt die völlig exaltierte Woolworth-Kassiererin Janet herein, sie ist auf dem Weg, in Hollywood eine Karriere zu starten.
So beginnt die Komödie „Wally’s Café“, die zum Jahreswechsel in der Werderschen „Comédie Soleil“ erfolgreich zur Premiere kam. Natürlich weiß der theatergeschulte Besucher sofort, dass Wallys Traum nie Wirklichkeit wird, hätten die Autoren Sam Bobrick und Ron Clarc sonst diesen Einstieg gewählt? Aber welche Rolle spielte dabei Janet? Sie ist wichtiger als gedacht in einem Stück, welches von der Erfüllung von Lebensträumen handelt, von Gehen und Bleiben.
Der Zuschauer erlebt Michaela Wrona bei der Eröffnung des Schmorbraten-Cafes, dann Jahre später als Kellnerin des Hauses, noch einmal als reich gewordene Erbin nach US-Art, aber da ist das Ehepaar Wally (Michael Klemm) und Louise (Nadja Winter) schon klapprig alt, und kaum noch in der Lage, ihr großherziges Angebot einer Spät-Karriere anzunehmen. So sieht es wenigstens vom Regiestuhl Michael Weigolds her aus.
Jens Uwe Behrend (Bühne) hat die Szene in einem einheitlichen Türkis-Ton gehalten und realistisch ausgestattet, bis hin zur Juke-Box, die mit „Blue Moon“ das Lieblingslied des alternden, ständig auf Kundschaft wartenden Paares spielt.
Die Regie hat diese kluge Komödie wie zwei Stücke inszeniert. Munter, spritzig, aufgedreht geht es bis zur Pause, was besonders dem schrillen Spiel von Michaela Wrona zu danken ist. Kraft, Ideen und vor allem ein angemessenes Tempo machen aus der tötenden Warte-Situation dieser Szenen ein theatralisches Erlebnis. Als sich dann herausstellt, wie ungetreu das Ehepaar zueinander war und auch Wally mit Janet was hatte, wird aus dem Spiel fast ein Vaudeville. Freilich hätten die Damen zu wispern, wenn es um Geheimnisse geht, hätten sich als Konkurrentinnen angiften können, da ist noch Luft für szenische Phantasie.
Michael Klemm ist als Wally so beweglich wie stets auf der Hut, brillant, wie er tänzelnd zum nächsten Bild hinüberleitet. Nadja Winter mit einem kräftigem Ausraster (endlich!) handelt noch zu oft aus der Defensive heraus. Durch Heiraten mit senilen Millionären reich geworden, treibt Sehnsucht Janet nach der Pause zu dem alternden Paar zurück, wo längst Louise das Sagen hat, weil Wally vergesslich (ein Unterschied, ob man das spielt oder den Widerstand dagegen) geworden ist. Jetzt erlebt man ein zu Herzen gehendes Melodram.
Aus der hyperaktiven Janet ist ein deklamierendes Standbild im langen Roten (Kostüme: RUDI) geworden, aus der frischen Komödie fast ein Hörstück mit darstellerisch unklarem Ende. Wieder liegt es zuerst an Janet, wie sie Raum und Ehepaar nach so langer Zeit aufnimmt und „spielt“. Das müsste beim wiederentdeckten Bühnen-Temperament doch wohl noch zu machen sein!
Nächste Vorstellungen heute um 19. 30 und am Sonntag um 17 Uhr
Gerold Paul
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