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Potsdam-Mittelmark: Ziemlich beste Freunde

In Teltow ist Brandenburgs erste Inklusions-WG entstanden – Vorbild dafür war ein Film

Von Eva Schmid

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Teltow - Die Tür geht auf, der Mops hopst auf einen zu und es duftet nach frisch gekochtem Apfelmus. In der Küche klappert es: Schubladen werden aufgezogen, Teller herausgeholt. Darius, Jonathan und André tischen das Abendessen auf. Ganz normaler WG-Alltag – mit einem kleinen Unterschied.

In Teltow ist in einer alten Stadtvilla in der Mahlower Straße die erste Inklusions-WG Brandenburgs eingezogen. Der Potsdamer Träger, die Einzefallhilfe-Manufaktur, hat das Projekt bereits Ende 2013 aus der Taufe gehoben. In der Wohngemeinschaft können seit Mai dieses Jahres sechs Mitbewohner leben, es gibt ein geräumiges Wohnzimmer, eine moderne Küche. Im ersten und zweiten Stock geht es über alte knarzige Holztreppen hinauf in die Zimmer. Drei der Mitbewohner sind Heilerziehungspfleger in der Ausbildung, die mietfrei in dem sanierten Altbau wohnen. Die anderen drei Mitbewohner sind Menschen mit Handicap – vom Down-Syndrom bis zur geistigen Behinderung. Das Ziel des Trägers: Man wohnt gemeinsam unter einem Dach, hilft sich gegenseitig und lebt vor allem selbstbestimmt.

„Die Idee der WG ist an den Film ,Ziemlich beste Freunde’ angeknüpft“, erklärt Oliver Käding, der Vorsitzende des Trägervereins. In der Komödie entwickelt sich eine innige Freundschaft zwischen einem wohlhabenden, aber isoliert lebenden Mann mit körperlicher Behinderung und seinem Pflegehelfer, der ihn am Leben in vollen Zügen teilnehmen lässt.

Letzteres wolle man mit der Inklusions-WG auch erreichen, sagt Käding. Im Gegensatz zu stationären Einrichtungen gehe es in der WG nicht um Verwahrung. Menschen mit Down-Syndrom würden in größeren Gruppen von sechs bis neun Personen – das entspreche der Gruppengröße in stationären Einrichtungen – oft hinten anstehen müssen. „Die Pfleger sind dort mit Patienten, die mehr Aufmerksamkeit und Hilfe brauchen, beschäftigt.“ Für den Vorsitzenden des Trägervereins gilt die Maxime, dass Menschen mit Down-Syndrom im Alltag aber gefordert werden müssen, „umso mehr können sie sich auch entwickeln“.

Darius, der an einem Herbstabend zusammen mit seinen zwei Mitbewohnern in der Küche steht und das Abendessen vorbereitet, ist geistig behindert und hat autistische Züge. Zwei seiner weiteren Mitbewohner haben das Down-Syndrom. „Wie lange musst du noch arbeiten?“, fragt Darius unvermittelt in die Runde. Er ist 21 Jahre alt und arbeitet in Berlin als Küchenhilfe. Sein Mitbewohner Jonathan, der aus Flensburg für die Heilerzieherausbildung in die Region gezogen ist, lacht. „Noch sehr, sehr lange“, denn auch Jonathan ist erst 21. Der Junge mit dem roten Baseballcap schafft es an dem Abend immer wieder, seine Mitbewohner zum Lachen zu bringen. Zu Hause darf er Koch sein und nicht Küchenhilfe. Seine Rezepte verrät er den Mitbewohnern nicht. „Ich kann so gut kochen“, sagt er und grinst verschmitzt.

Es geht um ein selbstbestimmtes Leben, das Jugendliche mit und ohne Handicap in der Inklusions-WG führen sollen. Die Potsdamer Einzefallhilfe-Manufaktur, die sich vor allem um behinderte Kinder kümmert, hat mit dieser Wohnform auch den Wunsch einer Mutter aufgegriffen: „Sie war unzufrieden, wie es ihrer Tochter im stationären Heim erging, denn dort bekam sie zu wenig Anregung.“ Alle Eltern, deren Kinder in Teltow leben, müssen sich bisher ausführlich vor den Behörden erklären. Das Konzept sei im Land einfach noch zu neu, als dass Kranken- und Pflegekassen sowie Sozialamt bereits wüssten, wie damit umzugehen sei, so Käding. Immerhin werde das Projekt vom Sozialministerium des Landes unterstützt.

Vom Behördenkram wollen die Bewohner in Teltow nichts wissen, sie haben einen großen Garten, ein gemütliches Haus und ihre Gemeinschaft. Sie gehen zusammen einkaufen, Minigolfen oder in die Disko. Mindestens einer der Auszubildenden ist immer im Haus und hilft seinen Mitbewohnern mit Handicap, wenn nötig. Und noch einen kleinen Unterschied zur normalen Studentenbude gibt es: Die angehenden Heilpfleger sollten Vorbild sein. „Wir rauchen nicht und gehen früh ins Bett – manchmal ist das gar nicht so leicht“, sagt Jonathan.

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