Potsdam-Mittelmark: Ziesar: Ein Begriff in ganz Europa Ehemalige Brandenburger Bischofsresidenz wird zum Museum
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Von Sandra Schipp Ziesar. Mit dem Namen Ziesar verbinden die meisten Menschen heute – wenn überhaupt – nur eine Abfahrt an der Autobahn 2 in Brandenburg. Das war jedoch nicht immer so. Im Mittelalter stand Ziesar mit Rom in Verbindung und war in ganz Europa ein Begriff. In dem kleinen Ort mit dem slawischen Namen residierten damals Bischöfe, die sich dort eine luxuriöse Heimstatt schufen - die Burg Ziesar. Unter Historikern gelten die Reste der Bischofsresidenz längst als Perle mittelalterlicher Kunst- und Kulturgeschichte. Manche glauben sogar, Anklänge an den Papstpalast von Avignon entdeckt zu haben. „In Brandenburg ist die Burg Ziesar mit das Bedeutendste, was wir haben“, sagt Historiker Clemens Bergstedt. Sie sei relativ original erhalten – normalerweise seien von solchen Bauwerken nur noch Fragmente übrig. Mittelalterliche Kirchenkunst in dieser Fülle und Prächtigkeit sei im nord- und ostdeutschen Raum wegen der Reformation ohnehin ziemlich selten. Bergstedt will nun – in Zusammenarbeit mit Professor Heinz-Dieter Heimann vom Historischen Institut der Universität Potsdam – überregionales Interesse an der kaum bekannten Burganlage wecken. Dort soll in knapp zwei Jahren ein Museum eröffnet werden, das in Deutschland seinesgleichen sucht. Nicht nur das vorherrschende Thema, Bischöfe und religiöses Leben in der mittelalterlichen Mark Brandenburg, wurde bislang kaum behandelt. Auch die Art der Präsentation soll einzigartig sein. „Das hier wird keine lokale Heimatstube, hier geht es um europäische Geschichte“, betont Bergstedt als Kurator. Die Burg soll das wichtigste Ausstellungsexponat werden. In jedem Raum wird mindestens ein Befund aus der Baugeschichte sichtbar sein. Viele dieser Relikte sind für die Historiker eine echte Überraschung. So wurden Spuren von prächtigen Wandmalereien freigelegt, die allein wegen der benutzten Farben Unsummen gekostet haben müssen. Verwendet wurden nämlich Edelsteine und sogar echtes Zinnoberrot, damals teurer als Gold. Dass die Bischöfe gerne Geld in die Hand nahmen, beweist noch ein anderer Fund: Für kuschelige Wärme im Palast sorgten Fußbodenheizungen - die älteste stammt aus dem frühen 14. Jahrhundert. Der Bischof brauchte nur einen Stöpsel zu ziehen, und schon wurde es gemütlich unter seinen Gewändern. Selbst die Empore der Kirche war an das Netz angeschlossen – angesichts der grimmigen Kälte im Winter durchaus nachvollziehbar, aber dennoch selbst für Kirchenoberhäupter ziemlich bemerkenswert. Die Funde in der Burg Ziesar forderten dazu heraus, „etwas zu schaffen, das europäische Dimensionen zeigt“, sagt Bergstedt. Die Gestaltung des Museums mit seinen 21 Kammern und Sälen stellt ihn und seine Kollegen allerdings vor große Herausforderungen. Kaum ein Raum sei größer als 25 bis 30 Quadratmeter, und da müsse man sich schon etwas Besonderes einfallen lassen. Zwar wird die Burg nicht mit Exponaten „vollgestellt“ - – sie soll aber dennoch mit Inhalten gefüllt werden. Die Themen stehen schon fest: Es wird um Christen und Slawen gehen, um Missionierung und Kreuzzüge, um die Entstehung und Entwicklung der Mark Brandenburg und um religiöses Leben in der damaligen Zeit. Der Legende nach wurde die Burg Ziesar im 10. Jahrhundert von Heinrich I. erbaut. Er ließ angeblich jeweils sieben Türme, Brücken, Mauern und Gräben errichten, um die Slawen abzuschrecken, die die Sieben für eine Teufelszahl hielten. Von der Burg sind heute nur noch der Palas, die Kapelle und der Bergfried erhalten. Nachdem sich die Bischöfe im Zuge der Reformation aus den Räumen zurückgezogen hatten, ging die Burg in die Hand des Kurfürsten über. Im 19. Jahrhundert wurden große Teile der Vorburg abgerissen, der Rest wurde als landwirtschaftliches Gut, Lagerraum und Depot für Geräte genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog dort ein Schulinternat ein. Der Bergfried mit der von weitem sichtbaren „Bischofsmütze“ wurde im 19. Jahrhundert für industrielle Zwecke missbraucht – eine benachbarte Stärkefabrik degradierte ihn zum Schornstein. Inzwischen haben die Besucher der Burg Ziesar vom restaurierten Gebäude wieder einen schönen Blick über die Stadt. Von den sieben mittelalterlichen Wehrtürmen blieb nur einer übrig: Der „Storchenturm“, der einst als Verlies genutzt wurde. Angeblich war dort sogar jahrelang ein „Prominenter“ eingekerkert - der Raubritter Caspar Gans Edler Herr zu Putlitz. Er stand Pate für Karl Mays Roman „Wildwasser“.
Sandra Schipp
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